Die wirklich gute Nachricht in dieser Seuchennot zuerst: Gesundheitsminister ist noch immer Rudolf Anschober, obwohl Innereienminister Karl Nehammer zur Control der täglichen Katastrophenmessage hartnäckig ans frisch gemachte Krankenbett der österreichischen Gesellschaft drängt. Und noch eine. Obwohl sich unter den vielen Notverordnungen des Bundeskanzlers auch die findet, wonach Veranstaltungen in geschlossenen Räumen nicht von mehr als hundert Personen verseucht werden dürfen, wurde dem Nationalrat – jedenfalls bisher – das Zusammentreten noch nicht verboten. Für ein solches Verbot hat es hierzulande schon windigere Gründe gegeben, aber dem Florilegium der heimischen Demokratie soll es gnädig gestattet sein, sich die erste Budgetrede des wirtschaftspolitisch eher unverseuchten Finanzministers mit Todesverachtung hineinzuziehen. Wenn sie sich nur nicht anstecken!

Gesundheitsminister Rudolf Anschober, Bundeskanzler Sebastian Kurz und Innenminister Karl Nehammer bei der Pressekonferenz "Aktuelles zum Coronavirus".
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Beim Schließen anderer Einrichtungen ist man nicht so zimperlich. Der Bundeskanzler schaltet weniger aufgrund gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse, aber unter dem patriotischen Motto "Österreich darf nicht Italien werden" ein ganzes Land samt seiner Wirtschaft, seiner Schulen und seiner kulturellen Institutionen in den Krisenmodus. Das ist zunächst einmal sicher besser, als nichts zu tun. Aber alles über den einen Kamm zu scheren, den man halt zur Verfügung hat, ist bemühtes, aber auf Dauer nicht unbedingt qualifiziertes Krisenmanagement. Niemand kann heute sagen, wie groß der hygienische Nutzen all der Schließungen, wie groß der daraus entstehende wirtschaftliche und sonstige Schaden ist und in welchem Verhältnis das eine zum anderen stehen wird.

Hysterieproduktion

Verständlich, die Regierung will Vorwürfe vermeiden, sie hätte nicht alles getan, um Todesopfer der Corona-Epidemie zu verhindern. Möge es gelingen. Aber solche Skrupel hatte sie nicht, als sie sich bei der "gewöhnlichen" Grippe mit einer Durchimpfungsrate von acht Prozent und daraus resultierenden Todesopfern jedenfalls bisher ohne moralische Probleme abfand. Impfpflicht bei Masern, wie es Ärzte fordern? Kein Thema. Bei Papillomaviren? Ging sie bisher nie etwas an, obwohl man die Gefahren, die von ihnen ausgehen, besser kennt als die von Coronaviren, und auch schon den Impfstoff hat. Fühlt sich eine Regierung nur dann für Volksgesundheit zuständig, wenn es keinen Impfstoff gibt?

Da hätte man längst das Nötige veranlassen können, wollte aber niemanden durch Zwang entmündigen, der oder dem die Gefährdung von Mitmenschen egal ist. Die jetzigen Anordnungen, soweit sie über Ratschläge zum Händewaschen, richtigen Niesen und zur Kontaktvermeidung hinausgehen, verraten durchaus eine gewisse Neigung zu einer Entmündigung der Bürger. Museen, der Tiergarten Schönbrunn – verboten. Aber warum überall dort, wohin niemand gehen muss, der sich fürchtet, die Ansteckungsgefahr größer sein sollte als in vollen öffentlichen Verkehrsmitteln oder am Arbeitsplatz, ist nur mit der Verlockung zu erklären, als Retter des Vaterlandes zu punkten.

Es würde reichen, Anschober ohne Hysterieproduktion arbeiten zu lassen. Dann bleibt auch noch Raum für die Erinnerung, dass am Rande Europas viele Menschen größeren Gefahren ausgesetzt sind als nur jenen, die Kurz hier kühn bekämpft. (Günter Traxler, 13.3.2020)