OMV-Chef Rainer Seele (li.) und Verbund-Boss Wolfgang Anzengruber hatten schon mehrmals Gelegenheit, sich die Hand zu schütteln.

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Überraschung war es keine, dass Österreichs größter Industriekonzern OMV die Gelegenheit einer Aufstockung der Anteile am Kunststoffspezialisten Borealis fast ungeschaut nutzen würde. 75 Prozent statt 36 Prozent an einem Unternehmen zu halten, dem rundum eine rosige Zukunft beschieden wird, macht einen Unterschied. Überraschend war eher, dass Mubadala, die frühere Ipic aus Abu Dhabi, bereit war, Anteile herzugeben, zumal die Scheichs vor noch nicht allzu langer Zeit selbst Appetit auf mehr Borealis hatten.

Nutznießer des Umbaus bei der teilstaatlichen OMV könnte der zu 51 Prozent in Staatsbesitz stehende Stromkonzern Verbund sein. Zwischen beiden hat es schon einmal geknistert, sehr heftig sogar. 2006 wollten Wolfgang Ruttenstorfer und Hans Haider, damals OMV-Chef der eine, Verbund-Boss der andere, einen großen Energiekonzern formen. Als die Pläne publik wurden, brachten die Landeshauptleute aus Angst vor einem Bedeutungsverlust ihrer Landesenergieversorger das Vorhaben zu Fall.

Annäherung

Seither ist viel Wasser die Donau hinuntergeflossen. OMV und Verbund haben sich auf anderen Feldern wieder angenähert, etwa bei der Umwandlung von Strom in Wasserstoff mittels Elektrolyse; bei der auf Schnellladestationen spezialisierten Smatrics machen sie gemeinsame Sache, ebenso bei Österreichs größter Fotovoltaik-Freiflächenanlage im Weinviertel. Nun trifft es sich gut, dass OMV Geld zur Finanzierung des 4,1 Milliarden Euro teuren Borealis-Deals benötigt und Assets abstoßen will.

Raus aus Benzin und tiefer rein ins Plastik ist, auf den Punkt gebracht, die Strategie, die der aus Deutschland stammende Manager Rainer Seele der OMV verordnet hat. Das in den vergangenen Jahren auf 287 Stationen angewachsene Tankstellennetz im süddeutschen Raum steht zum Verkauf. Dafür muss sich ein Interessent noch finden. Der 51-Prozent-Anteil am Gasnetzbetreiber Gas Connect Austria (GCA) wird ebenfalls versilbert. Dafür wurden exklusive Verhandlungen mit Verbund gestartet, wie beide Unternehmen am Donnerstag bekanntgaben.

Energiewende

Dass sich der Stromkonzern diese Gelegenheit nicht entgehen lassen möchte, ist verständlich. Sektorkopplung, also die Vernetzung der verschiedenen Bereiche in der Energiewirtschaft, wird von Experten als das Um und Auf betrachtet, soll die Energiewende zu einem erfolgreichen Ende kommen. Mit den 51 Prozent bei GCA (49 Prozent an der früheren OMV Gas hält ein Konsortium aus dem Versicherer Allianz und dem italienischen Gasunternehmen Snam) hätte Verbund parallel zu seinen Stromnetzen ein höchst potentes Gasnetz bei der Hand und allerlei Synergiepotenzial.

Zufällig ist das exakt die Stoßrichtung, in die Brüssel auch andere Energieunternehmen lenken möchte: Durch eine bessere Verzahnung von Strom- und Gasnetzen soll die Infrastrukturplanung vereinfacht, effizienter und damit auch günstiger werden. So gesehen könnte sich der Verbund, sofern die Verhandlungen von Erfolg gekrönt sind und die Wettbewerbshüter nichts dagegen haben, einen Vorsprung gegenüber Konkurrenten sichern. Wenn überschüssiger Strom als Wasserstoff ins Gasnetz geht, erspart sich der Verbund Kosten für den Ausbau des Stromnetzes, der sonst unumgänglich wäre. (Günther Strobl 13.3.2020)