Foto: ESA/Rosetta
Der Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko verfügt doch über nennenswerte Stickstoffvorkommen – versteckt in Ammoniumsalzen.
Foto: ESA/Rosetta

Bern – Zu den wichtigsten Bausteinen für die Entstehung von Leben auf unserem Planeten zählen neben flüssigem Wasser und Kohlenstoff auch Stickstoff. Dass das Element bereits auf der jungen Erde in ausreichenden Mengen vorhanden war, ist belegt. Woher der Stickstoff allerdings kam, bereitete Wissenschafter lange Zeit Kopfzerbrechen, denn in den Kometen, die viele wichtigen Elemente zur Erde brachten, schien es zu fehlen. Dieses Rätsel konnte nun aber gelöst werden: Ein internationales Forschungsteam berichtet, dass der Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko doch Stickstoff enthält – und zwar in Form großer Mengen Ammoniumsalze.

Welche Rolle Kometen bei der Entstehung des Lebens auf der Erde spielten, war eine der großen Fragen hinter der Rosetta-Mission zum Kometen "Tschuri", an der unter anderem Forscher der Universität Bern beteiligt waren. Durch die extrem heißen Bedingungen bei der Entstehung der Erde lagen anschließend viele Verbindungen nicht mehr vor, oder nur in einer Form, in der sie nicht zur Entstehung des Lebens beitragen konnten. Auf Kometen könnten diese Verbindungen jedoch überlebt haben und bei Einschlägen wieder auf die abgekühlte Erde gelangt sein.

Verborgen in den Staub- und Gaswolken

Ein wichtiger Baustein des Lebens schien jedoch in Kometen praktisch zu fehlen: Stickstoff. Im Fachjournal "Nature Astronomy" berichteten die Forscher, dieses Rätsel womöglich geknackt zu haben. Aus Messreihen des Berner Massenspektrometers Rosina an Bord von Rosetta und zusätzlichen Experimenten leiteten sie ab, dass der Stickstoff auf "Tschuri" wahrscheinlich in Form von Ammoniumsalzen vorliegt. Diese haben eine höhere Verdampfungstemperatur und ließen sich daher bisher kaum in der Staub- und Gaswolke um Kometen nachweisen.

Nahaufnahme von "Tschuris" Oberfläche aus einem Abstand von 16 Kilometern. Zur Veranschaulichung der Größenverhältnisse: Der mit einem Kreis gekennzeichnete Stein hat einen Durchmesser von rund zehn Metern.
Foto: ESA/Rosetta

Im Fachmagazin "Science" berichtete ein anderes Forschungsteam von weiteren Analysen, die die Theorie bestätigen: Die Kometenoberfläche von "Tschuri" enthält demnach beträchtliche Mengen an Ammoniumsalzen, hält das Fachmagazin in einer Mitteilung zur Studie fest. Dieser Befund gelang mit Messdaten eines weiteren Instruments an Bord der Rosetta-Sonde und nachgebildeten Kometenoberflächen.

Rätselhaftes Absorptionsmerkmal

Die Messdaten stammten von einem Spektrometer mit der Bezeichnung Virtis, das die Oberfläche des Kometen untersuchte. Das Instrument sammelte Daten zu den Wellenlängen-Mustern des vom Kometen reflektierten Lichts. Aus diesem Spektrum lässt sich die chemische Zusammensetzung ableiten. Allerdings konnten die beteiligten Forschenden nicht alle Absorptionsbanden dieses Spektrums genau zuordnen, insbesondere ein bestimmtes Infrarot-Absorptionsmerkmal blieb unidentifiziert.

67P/Churyumov-Gerasimenko aus einer Distanz von 329 Kilometern aufgenommen.
Foto: ESA/Rosetta/NavCam

Die Forscher verwendeten Laborexperimente, um verschiedene mögliche Zusammensetzungen der Kometenoberfläche zu simulieren und die daraus resultierenden Reflexionsspektren zu messen. Dabei versuchten sie, das unidentifizierte Absorptionsmerkmal zu reproduzieren. Dies gelang mit mehreren stickstoffhaltigen Ammoniumsalzen. Die Methode, um Kometenoberflächen unter dem Einfluss verschiedener Weltraumbedingungen nachzubilden, entstand an der Universität Bern.

Jahrzehntealtes Mysterium

Das Rätsel um den fehlenden Stickstoff in Kometen beschäftigt Astronomen seit Jahrzehnten. Bereits bei der Giotto-Mission zum Kometen Halley vor mehr als 30 Jahren stellten Berner Forschende fest, dass in der Staub- und Gaswolke, die sich bildet, wenn der Komet nahe an der Sonne vorbeizieht, Stickstoff weitgehend zu fehlen schien. Stickstoffverbindungen wie Ammoniak und Blausäure konnten sie zwar nachweisen, allerdings in viel geringeren Mengen als erwartet. (red, APA, 15.3.2020)