EU-Chefunterhändler Michel Barnier (rechts) und ein Berater der britischen Regierung bei Verhandlungen in Brüssel.

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Brüssel/London – In den Gesprächen mit Großbritannien über die künftigen Beziehungen nach dem Brexit hat EU-Chefunterhändler Michel Barnier einen Entwurf für eine Vereinbarung vorgelegt. Er habe die Vorlage "zur Diskussion" an den Rat der Mitgliedsstaaten und das Europaparlament geschickt und werde ihn danach veröffentlichen, teilte Barnier am Freitag mit.

Großbritannien war am 31. Jänner aus der EU ausgetreten. In einer Übergangsphase bis Jahresende bleibt das Land noch im Binnenmarkt und der Zollunion. In dieser Zeit wollen beide Seiten Vereinbarungen zu ihren künftigen Beziehungen treffen und insbesondere ein Handelsabkommen abschließen.

Barniers 440 Seiten starker Vorschlag zeige, "dass eine ehrgeizige und umfassende künftige Beziehung möglich ist". Das Papier, das der Nachrichtenagentur AFP vorliegt, enthält weiter zentrale EU-Forderungen, die von London abgelehnt werden. So soll sichergestellt werden, dass Großbritannien nicht weit von EU-Regeln für Staatsbeihilfen sowie von europäischen Umwelt-, Arbeits- und Qualitätsstandards abweicht. Bei Streitigkeiten über die Auslegung des EU-Rechts müsste sich ein dafür vorgesehener Schiedsausschuss "an den Gerichtshof der Europäischen Union wenden", der darüber entscheiden soll.

Zudem soll das Abkommen garantieren, dass sich beide Seiten gemäß vereinbarter Fangquoten gegenseitig Zugang zu ihren Fischereigewässern ermöglichen. Der britische Premier Boris Johnson will vielmehr ein einfaches Handelsabkommen ohne Angleichung an EU-Standards. Sollte dies nicht möglich sein, will er notfalls auch auf einen weitgehend ungehinderten Zugang zum EU-Markt verzichten.

Das Europaparlament begrüßte Barniers Vorschlag. Die dafür zuständige Koordinierungsgruppe werde weiter eng mit dem Franzosen zusammenarbeiten, "um das bestmögliche Ergebnis für die EU-Bürger und die EU-Wirtschaft sicherzustellen", erklärte deren Vorsitzender David McAllister. Das Parlament hatte im Februar in einer Entschließung gefordert, dass sich Großbritannien dauerhaft an EU-Standards hält.

London will nicht über außenpolitische Fragen verhandeln

Von einzelnen EU-Staaten kam Kritik an Barniers Vorgehen, den Entwurf demnächst auch zu veröffentlichen. Es sei "nicht übliche Praxis, dies zum jetzigen Zeitpunkt" zu tun, sagte ein Diplomat. Demnach wäre es besser abzuwarten, bis Großbritannien seinen eigenen Vorschlag vorlege. Barniers Vorpreschen zeige nur, dass die Herangehensweisen beider Seiten "grundlegend verschieden" seien. Strategisch gesehen sei dieses Vorgehen "nicht klug".

Ein separat von Barnier erstelltes Dokument von 17 Seiten schlägt eine Vereinbarung im Bereich der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik vor. Es trägt aber schon auf dem Deckblatt den Hinweis, dass Großbritannien klargemacht habe, "dass es nicht den Wunsch hat, Verhandlungen über außenpolitische Fragen aufzunehmen".

Nach einer ersten Verhandlungsrunde in der vergangenen Woche hatten die EU und Großbritannien vor allem ihre großen Differenzen festgestellt. Eine ab Mittwoch in London geplante zweite Runde wurde abgesagt. Als Grund wurde die Ausbreitung des Coronavirus angegeben. (APA, 13.3.2020)