Ab Montag werden Familien sehr viel Zeit miteinander verbringen. Freiwillig oder weil es nicht anders geht. Zur Eindämmung des Coronavirus werden alle österreichischen Schulen und viele Geschäfte geschlossen. Für Kinder unter 14 Jahren, die nicht zu Hause betreut werden können, gibt es einen Notbetrieb in der Schule – hier übernimmt das Lehrpersonal die Betreuung. Doch auch Kindergartenkinder sollen nach Möglichkeit zu Hause bleiben. Für viele Eltern ist diese Regelung, die zumindest bis Ostern gelten soll, eine große logistische Herausforderung. Einige Firmen setzen, so gut es geht, auf Homeoffice. Ob das mit Kindern funktionieren wird?

Kathrin Hanzl kann darüber nur lachen: "Haben Sie schon einmal probiert, in Ruhe E-Mails zu checken, während das Kleinkind spielt?" Die selbstständige PR-Managerin ist dennoch positiv gestimmt: "Vielleicht ist das eine gute Zeit, um ein wenig zu entschleunigen." Ähnlich sieht es Eva Primavesi, alleinerziehende Mutter eines Volksschülers: "Zu Hause arbeiten, wenn das Kind da ist? Unmöglich." Sie hat gemeinsam mit anderen Eltern betreute Kleingruppen auf die Beine gestellt. In Protokollform berichten drei Wiener Familien, wie ihr Alltag ab kommender Woche aussehen wird.

Familie Massong: die beiden Schüler Arthur (11) und Nathan (8) zu Besuch im kunterbunten Stoffgeschäft Biostoffe.at ihrer Eltern Romana (41) und Bernhard (43).
Robert Newald, www.newald.at
"Jetzt ist Solidarität gefragt"

Für uns ist die Schließung der Schulen und Kindergärten nicht nur aus Elternsicht eine große Herausforderung. Wir betreiben seit sieben Jahren ein Stoffgeschäft in Wien. Vier unserer insgesamt sechs Angestellten haben selbst Kinder. Einige wollen die Kinder derzeit natürlich zu Hause lassen. Deswegen haben wir uns in den vergangenen Tagen schon mit jeder Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter hingesetzt und ein offenes Gespräch geführt. Uns ist es enorm wichtig, dass wir eine Lösung finden, mit der alle glücklich sind. Solidarität ist wahrscheinlich jetzt so gefragt wie schon lange nicht mehr. Einige werden Sonderurlaub nehmen, andere Stunden abbauen. Wie es aktuell aussieht, wird das Geschäft aber auch eine Zeitlang geschlossen bleiben müssen.

Kinder der Mitarbeiter betreuen

Da wir ein sehr familiäres Verhältnis zueinander haben, gibt es auch die Idee, dass wir die Kinder der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusammen bei uns zu Hause betreuen. Alle sind zwischen fünf und elf Jahre alt und verstehen sich irrsinnig gut. Unsere beiden Söhne finden das zumindest jetzt schon toll.

Den Kundenrückgang haben wir schon in den letzten Tagen bemerkt. Es ist unklar, wie lange dieser Zustand anhalten wird – oder ob sogar noch weitere Maßnahmen eingeleitet werden, um das Coronavirus einzudämmen. Aber das erleben ja ganz viele Betriebe im Moment, da müssen wir jetzt alle durch und die Herausforderungen auch als Chancen betrachten. In unserem Fall heißt das, den Fokus auf den Onlineshop zu richten. Das hat viele Vorteile für uns: Kunden können rund um die Uhr bestellen, und wir wickeln die Bestellungen ganz einfach von zu Hause aus ab.

Ab ins Grüne

Zugegeben, es täte uns auch irrsinnig gut, einmal wieder kürzerzutreten und mehr Zeit mit den Kindern zu verbringen. Arthur, der ältere Sohn, wurde einige Jahre häuslich unterrichtet. Wir kennen also den Tagesablauf schon ganz gut, wenn die Kinder rund um die Uhr anwesend sind. Langweilig wird uns sicher nicht. Abgesehen davon wird er auch mit dem Lernmaterial der Schule beschäftigt sein.

Gedanken haben wir uns dennoch gemacht, wie wir die kommenden Wochen am besten gestalten, damit nicht einer dem anderen den Schädel einschlägt. Und unsere Lösung lautet: Frischluft! Früher waren wir mit den Kindern viel im Grünen. Seit sie in der Schule sind, bleibt für ausgiebige Ausflüge nur noch wenig Zeit. Als Unternehmerin oder Unternehmer kann man ja selbst im Urlaub schlecht entspannen, weil es eigentlich immer etwas zu tun gibt. Vielleicht gelingt es ja in den nächsten Wochen besser.

Tipp: Die Tage daheim sollten in eine geregelte Arbeits- und Spielzeit geteilt werden.

Familie Primavesi: Eva (44), Konstantin (7).
Foto: Robert Newald, www.newald.at
"Wir Eltern organisieren uns selbst"

Ich bin Pressesprecherin einer internationalen NGO und Alleinerzieherin eines siebenjährigen Sohnes. Mein Arbeitgeber ermöglicht es mir, in den nächsten Wochen von daheim aus zu arbeiten. Das ist theoretisch sehr praktisch, aber in der Praxis lässt es sich für mich nicht umsetzen. Wenn mein Sohn auch daheim ist, sehe ich da keine Chance, mich länger als fünf Minuten zu konzentrieren. Deswegen haben über 20 Eltern aus dem Grätzl eine Whatsapp-Gruppe gegründet und versuchen nun gemeinschaftlich Lösungen für berufstätige Mamas und Papas zu finden.

Starke Kooperation

Es ist wichtig, dass sich Eltern in so einer herausfordernden Situation gegenseitig unterstützen. Ich fühle mich dadurch auch als Alleinerzieherin gut aufgefangen. So gibt es bereits jetzt den Plan, dass die Kinder in kleinen, selbstorganisierten Gruppen betreut werden sollen. Natürlich nur mit wenigen Kindern, aber selbst wenn eine Mama vormittags ein Kind zu ihrem eigenen dazunimmt, ist das sehr hilfreich.

Die Bereitschaft zu helfen ist allgemein sehr groß. Unsere Nachbarn haben keine Kinder und schon angeboten, Konstantin auch mal zu nehmen. Es ist, als wären wir alle ein Stückchen näher zusammengerückt. Das finde ich sehr schön.

Kuchen und Netflix

Im Moment freue ich mich darauf, mehr Zeit mit meinem Sohn zu verbringen. Wir werden köstlichen Becherkuchen backen, Fußball spielen und natürlich Netflix schauen. Was ich vermeiden möchte, ist, dass er 24 Stunden am Tag am iPhone pickt, aber es darf ruhig gemütlich werden in den nächsten Wochen.

Familie Hanzl & Lechner: Kathrin (27), Harald (37), Alina (1).
Foto: Robert Newald, www.newald.at
"Kleinkind und Homeoffice geht sich nicht aus"

Ich leite selbstständig eine PR- und Kommunikationsagentur – bin aber auch Moderatorin und mache Auftrittscoachings. Ein Job, den man bedingt durch den Coronavirus nur noch reduziert ausführen kann. Die meisten Events in den nächsten Wochen wurden abgesagt. Face-to-Face-Coachings mache ich auch keine mehr, weil ich kein Risiko eingehen möchte. Das heißt, dass ich in den beiden anderen Bereichen umso mehr Gas geben muss. Was schwer ist, denn ab nächster Woche wird meine eineinhalbjährige Tochter, die seit Herbst letzten Jahres in der Kinderkrippe ist, den ganzen Tag zu Hause sein. Wenn mir jemand sagt, dass Eltern doch Homeoffice machen sollten, um ihre Kinder zu betreuen, dann sehe ich das kritisch. Das ist zumindest bei einem kleinen Kind nämlich gar nicht möglich. Sobald ich den Laptop aufklappe, tapst meine Tochter daher und will auch auf den Tasten herumdrücken. Das Handy darf sie erst gar nicht sehen. Seit sie mobil ist, muss man ihr auf Schritt und Tritt folgen. Sie verlangt unsere volle Aufmerksamkeit.

Halbe-halbe

Harald und ich werden es also so machen, dass ich tagsüber auf Alina aufpasse und er sie abends übernimmt. Meine Hauptarbeitszeiten, vor allem die digitalen Coachings, werde ich aufs Wochenende verschieben. Wir haben ohnehin schon wenig Zeit als Paar, in den nächsten Wochen wird das wohl noch schwieriger. Harald arbeitet als Manager in der Sportbranche und hat Gott sei Dank einen sehr verständnisvollen Arbeitgeber, der es auch ermöglicht, sich tageweise freizunehmen und die Arbeitszeit flexibel einzuteilen. Oft denke ich mir schon, dass wir hier wirklich privilegiert sind. Was macht eine Mutter, die keinen Partner hat, der sie hier abfängt? Meine Mutter ist zudem noch jung und hat sich bereiterklärt, Alina zu übernehmen, wenn es für uns eng wird. Da sie noch berufstätig ist, nimmt sie sich dafür frei. Die Familie ist eine große Unterstützung.

Endlich in Ruhe bügeln

Es ist natürlich bitter, dass ich momentan so viele Aufträge nicht machen kann, aber einen positiven Aspekt bringt die aktuelle Situation schon: Entschleunigung. Erst gestern hatte ich einen so entspannten Tag wie seit zwei Jahren nicht mehr. Ich habe in Ruhe Wäscheberge gebügelt – es war herrlich. (Nadja Kupsa, 14.3.2020)