Scholz und Altmaier versuchen zu beruhigen.

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Wenn selbst der sonst so nüchterne deutsche Finanzminister Olaf Scholz (SPD) zu eindringlichen Worten greift, dann ist klar, wie ernst die deutsche Regierung die Krise nimmt. "Die Herausforderungen sind gewaltig. Wir werden jedes Mittel nutzen. Es wird nicht gekleckert, sondern geklotzt. Das ist die Bazooka, mit der wir das Notwendige jetzt tun."

So kündigte Scholz gemeinsam mit dem deutschen Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am Freitag an, dass die deutsche Regierung Unternehmen mit einem unbegrenzten Kreditprogramm der Staatsbank Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) unter die Arme greifen wird. "Es gibt keine Grenze nach oben bei der Kreditsumme, die die KfW vergeben kann", so Scholz. Das sei aufgrund der guten Haushaltslage in Deutschland möglich. Und Altmaier ergänzte: "Es ist der Moment für gemeinsames Vorgehen." Zunächst werde die Regierung der KfW 20 Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Laut Altmaier könne über einen drastisch erhöhten Garantierahmen bei der KfW eine halbe Billion Euro abgerufen werden.

Scholz erklärte zudem: "Wir haben noch etwas in der Hinterhand." Die Botschaft der beiden ist klar: Der Staat wird sich durch Corona nicht in die Knie zwingen lassen. Der Auftritt erinnerte an das gemeinsame Statement von Kanzlerin Angela Merkel und dem damaligen Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) während der Weltfinanzkrise am 5. Oktober 2008 im Berliner Kanzleramt. Damals versprach Merkel: "Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind. Auch dafür steht die Bundesregierung ein." Sie und Steinbrück wollten verhindern, dass die Deutschen ihr Geld aus den Banken holen.

Gedanken über Verstaatlichung von Betrieben

Zudem macht man sich in der deutschen Regierung aktuell Gedanken über Verstaatlichungen von strategisch wichtigen Unternehmen. Dazu sagt Altmaier im "Spiegel", er habe in seiner Industriestrategie die Möglichkeit von vorübergehenden Beteiligungen des Staates schon erwähnt, und meint: "Auch in einer Krise wie der durch das Coronavirus können sich ähnliche Fragen im Hinblick auf die technologische und wirtschaftliche Souveränität stellen." Die Hürden für Kurzarbeit in Unternehmen hat der Bundestag am Freitag gesenkt.

Corona-Flickenteppich durch Föderalismus

In Deutschland werden am Montag ebenfalls Schulen und Kindergärten schließen – etwa in Bayern, Berlin, dem Saarland, Schleswig-Holstein. Es gibt aber nicht in allen 16 Bundesländern die gleichen Regelungen, da der Infektions- und Seuchenschutz, wie auch die Bildungspolitik oder das Polizeiwesen, Angelegenheit der Länder ist.

Deshalb gibt es nun diesen "Corona-Flickenteppich". Der Föderalismus in Deutschland ist eine Reaktion auf die NS-Zeit, in der die Führung in Berlin die gesamte Macht an sich gerissen hatte. In dem System steckt auch die Überlegung, dass vieles vor Ort besser entschieden werden kann als zentralistisch aus der Hauptstadt. Jahrzehnte später kann die Bundesregierung in vieler Hinsicht nur "Empfehlungen" abgeben, damit aber auch Druck auf die Länder ausüben.

Dringende Empfehlungen des Bundes zu Veranstaltungen

So rät Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) dringend davon ab, noch Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Personen abhalten zu lassen. Und Kanzlerin Merkel bittet mittlerweile, "alle nicht notwendigen" Veranstaltungen abzusagen, auch bei einer Teilnehmerzahl unter 1.000 Personen. Auch Sozialkontakte sollen so weit wie möglich vermieden werden. Merkel: "Es ist ein Einschnitt, der uns sehr viel abverlangt. Wir sind in einer Situation, die außergewöhnlich ist, in jeder Beziehung."

Gefragt, ob der Föderalismus in Deutschland sich in der Corona-Krise als hemmend erweise, meint sie: "Wir arbeiten mit der Rechtslage, die wir haben. Alles andere kann man später mal diskutieren." Rasch etwas zu ändern wäre ohnehin nicht möglich, dazu bräuchte es eine Grundgesetzänderung. Im Extremfall könnte sich die deutsche Bundesregierung auf die Notstandsgesetze aus dem Jahr 1968 berufen und sich mehr Durchgriffsrechte verschaffen. Das allerdings ist in Deutschland noch nie der Fall gewesen. (Birgit Baumann aus Berlin, 13.3.2020)