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In zehn Jahren wird man sich einen kleinen Bioreaktor in die Küche stellen und eigenes Laborfleisch produzieren. Das Heimwerkerschnitzel wird in einem Behältnis wachsen, das die richtige Temperatur und die richtigen Bedingungen für das Wachstum der Zellen bietet. Davon ist die Stammzellenforscherin Sandhya Sriram aus Singapur überzeugt. Die 35-Jährige ist Mitgründerin und Geschäftsführerin von Shiok Meats, einem Unternehmen, das zellbasierte Garnelen im Labor züchtet.

Derzeit wird überall auf der Welt daran gearbeitet, sogenanntes Laborfleisch auf den Markt zu bringen, das kostengünstig und schmackhaft ist. Und wie es derzeit aussieht, könnte das künstliche Fleisch in absehbarer Zeit in echte Konkurrenz zu herkömmlichen Fleischprodukten treten. Das Start-up Memphis Meats arbeitet seit einigen Jahren an Fleischbällchen aus Rinderstammzellen und Geflügelschnitzeln ohne Tierleid. In den Niederlanden wurde der erste Burger aus dem Labor der Universität Maastricht bereits 2013 verkostet. Und in Israel arbeitet die Modern Agriculture Foundation daran, das Thema "umwelt- und tierfreundliches Fleisch" bekannter zu machen, und unterstützt Unternehmen bei der Vermarktung ihrer Produkte.

"Wie Brot backen"

Derzeit ist das Laborfleisch allerorts noch zu teuer. Das gilt auch für die Garnelen von Shiok Meats. Doch das kann sich bald ändern. Im vergangenen Jahr kostete die Herstellung von acht Teigtaschen mit Garnelen bei Shiok Meats rund 5000 Dollar. Inzwischen gibt es ein ganzes Kilogramm Garnelen für diesen Preis.

Diese Entwicklung veranlasst die Forscherin und Unternehmerin Sriram zu kühnen Prognosen. "Es ist, wie Bier oder Wein zu Hause herzustellen oder Brot zu backen", sagt sie, wenn sie über die zukünftigen Küchenlabore spricht.

Teure Suppe

Momentan sieht die Prozedur, die sie mit ihrem Team erprobt, vereinfacht so aus: Lebenden Garnelen werden Stammzellen entnommen. Durch Fütterung mit einem flüssigen Nährstoff, der sogenannten, wachsen die Zellen. Es handelt sich bei dieser Nährstofflösung um eine Mischung aus Proteinen, Kohlenhydraten und Fetten, die dem sehr ähnlich ist, was das Tier selbst essen würde. Da die Zellen jedoch kein Verdauungssystem haben, müsse man ihnen einen sehr einfachen Zutatenmix geben, erklärt Sriram.

Die Nährsuppe wird derzeit noch nur von Pharmaunternehmen hergestellt und sehr teuer verkauft. "90 Prozent unseres Kilopreises der Laborgarnele macht die teure Nährlösung aus", sagt die Forscherin. Der nächste Schritt heißt also: die Nährsuppe billiger produzieren und zugänglich machen.

Biohacker

Sandhya Srirams Träume vom Heimlabor für Fleischproduktion könnten tatsächlich zukunftsweisend sein. Und sie ist mit ihren Visionen nicht allein: Das Shojinmeat Project aus Japan ist ein erfolgreiches Citizen-Science-Projekt, das seit Jahren Menschen da¬zu ermuntert, Laborfleisch im Ei¬genbau herzustellen.

Der Initiator des Shojinmeat-Projekts, Yuki Hanyu, war seit seiner Kindheit von der Manga- und Anime-Kultur fasziniert. Dort holte er sich die Inspiration für den autarken Anbau von Fleisch ohne Tierleid – ein beliebtes Motiv in den Comics.

Yuki Hanyu und andere Biohacker und Hobbywissenschafter arbeiten seit Jahren emsig daran, die Science-Fiction-Szenarien Wirklichkeit werden zu lassen. Sie experimentieren im eigenen Wohnzimmer und in sogenannten Lab-Cafés und versuchen, die Kosten für die Produktion von "Kulturfleisch" zu senken.

Schulen stellt das Shojinmeat Project kleine Laborboxen für Experimente zur Verfügung. Inzwischen ist aus der Bürgerwissenschafter-Bewegung das kommerzielle Unternehmen Integriculture entstanden. Zellkultivierung in großem Maßstab in gewöhnlichen Haushalten wird bald Realität werden, heißt es selbstbewusst auf der Homepage von Integriculture. (Olivera Stajic, 16.3.2020)