Der perfekte Fotospot: Beine hochgelagert, den Laptop auf den gebräunten Schenkeln. Ein schöner Latte auf dem Beistelltisch, eventuell noch ein klitzekleiner Notizblock daneben. Alles hell, freundlich und sehr happy – man hört förmlich die Vögelchen zwitschern. Hinten im Raum ein cleanes Theme-Board, alles, soweit erkennbar, proper, sauber, aufgeräumt, neutral geschmackvoll dekoriert. So sieht Homeoffice auf Social Media aus. Danke, liebe Arbeitgeber! Wir machen Ferien zu Hause, dort ist es ja eh am schönsten (und die Ansteckungsgefahr am geringsten).

Bild nicht mehr verfügbar.

Ungestört zu Hause arbeiten? Homeoffice ist vielfach und in vielerlei Hinsicht eine Herausforderung.
Foto: Getty Images

Die Schnittmenge solcher Influencer-Inszenierungen mit der Wirklichkeit von Heimarbeit ist ausgesprochen gering. Egal, ob für Singles, Verpartnerte oder Eltern. Stundenweise oder als Nacharbeiten nach der Bürozeit macht das schon flexibel und ermöglicht auch einmal, früher zu gehen. Oder dank technischer Möglichkeiten die Probleme von Vereinbarkeit zumindest teilweise zu lösen. Das Feld hinter der Werbebotschaft ist allerdings weit, eher dunkel und voller Fallstricke.

Klar, Homeoffice gilt als Errungenschaft einer eher elitären neuen Arbeitswelt und signalisiert Selbstbestimmtheit, Unabhängigkeit, Spaß. Dementsprechend wird sie auch (medial) verkauft.

Das echte Leben

Fotografen lichten dafür eher nicht durchschnittliche Wohnungen mit dunklen Arbeitsecken ab. Ungeeignete ergonomische Einrichtungen (gute Sessel sind nicht die schönsten) machen sich ebenso unhübsch wie Esstische, auf denen neben Laptop und Akten Kinderspielzeug, Essensreste und Zeugs für die Wäsche herumliegen. Vielleicht noch von der Katze zerfetzte Polster oder Hundebürsten? Geht natürlich nicht für ein Image-Foto zur neuen Arbeitswelt.

10% der Arbeitnehmer in Österreich machen regelmäßig Homeoffice. Das ist Platz vier im EU-Ranking. Am höchsten ist der Anteil bei über 50-Jährigen.

Homeoffice im echten Leben ist aber anders. Da sitzt keiner tiefenentspannt mit dem Dreijährigen auf dem Schoß, der sich stundenlang ruhig selbst beschäftigt. Da bricht der Streit der Kinder während der Skype-Konferenz los, was den Hund zum Keifen bringt. Da kommt dann der Partner heim und fragt, warum noch immer alles herumliegt, obwohl man ja "eh daheim war den ganzen Tag". Leider, leider ist das Arbeitspensum auch noch nicht geschafft. In dem Fall gibt es auch kein Arbeitsende, es passiert, was passieren muss: Arbeit und privat sind schon infrastrukturell vermischt und vermischen sich grenzenlos immer weiter.

Zudem ist die Kontrollmeldung an die Vorgesetzten fällig. Grundsätzlich gestatten fast alle Unternehmen, die Bürogeher beschäftigen, auch Homeoffice. Allerdings kontrollieren 40 Prozent von ihnen die glücklichen, "privilegierten" Heimarbeiter verschärft: Meldung des Arbeitspensums im Voraus, Meldung der Pausen, detaillierte Tagesreports und sonstige Reportingfinessen sind Usus, wie das internationale Beraterhaus Deloitte erhob.

Ohne "Flurfunk"

Das passt in kein Insta-Foto. Ebenso wenig die daraus ersichtliche, grundsätzliche heimische Präsenzkultur: Wer im Homeoffice arbeitet, gilt als jemand, der ein (unverdientes) Geschenk erhalten hat und daher kein Vertrauen verdient. Kontrolle ist das eine. Das andere ist der folgende Tag im Büro, an dem mehr zu leisten ist, weil man sich doch vermeintlich die drei Tage zuvor im Homeoffice erholt habe. So sehen das beispielsweise viele Kollegen, die im Großraumbüro tätig sind.

40% der heimischen Unternehmen implementieren bei ihren Heimarbeitern verstärkte Kontroll mechanismen.

Abseits vom Neid der Kollegen gibt es aber noch andere "Karrierekiller" im Zusammenhang mit Heimarbeit. Wer viel im Homeoffice arbeitet, hilft dem Arbeitgeber, an Büroflächen zu sparen. Sukzessive geht damit aber auch die Einbindung des Einzelnen in die informelle Macht, den "Flurfunk", verloren. Man weiß immer weniger von Vorgängen in der Firma und katapultiert sich so an den Rand der Belegschaft. Warum sollten Heimarbeiter als Erste bedacht werden, wenn ad hoc Teams für wichtige Projekte gebildet werden müssen? Führungskräfte vergessen in solchen Situationen eher schnell auf Kompetenzen und handeln nach Verfügbarkeitskriterien.

Interne Nachfolgeplanung? Wieso sollte an die oder den gedacht werden, die gemütlich auf dem Balkon sitzen? Sehr unwahrscheinlich. Zudem: Wenn das Match gerade stattfindet, all die strategischen Spielchen laufen – man kann ja remote nicht wirklich mitmachen. Aus dem Auge, aus dem Sinn wird da oft wahr.

Unterschiedliche Präsenzkulturen

Also Homeoffice als persönliches Jobdesaster? Das kann sein. Muss aber nicht. Wer vorübergehend daheim arbeitet, weil der nationale Gesundheitskrisenplan es so will, muss sich schon gar nicht fürchten. Aber auch in allen anderen Fällen kann die Sache mit der Heimarbeit gelingen. Gut für alle wird es dann, wenn es klare Regeln gibt. Das ist wesentlich – nebst optimaler Infrastruktur und rechtlicher Klarheit über Arbeitswerkzeuge und Abgeltung für privaten Aufwand wie etwa Internetkosten. Zudem müssen Führungskräfte und Kollegen eine solche flexible Arbeitsmöglichkeit tatsächlich als die Chance begreifen, die sie ist.

60% der Führungskräfte sehen Anwesenheit im Büro als Leistungsindikator. Nach dem Motto: Wer nicht im Office sitzt, arbeitet nicht viel.

Wer Homeoffice nicht nur fördert, sondern auch gut und klar ausgestaltet, kommt damit den Lebensansprüchen von Mitarbeitern entgegen. Dann passiert auch nicht, dass die unterschiedliche Arbeitsweise zur Ungleichbehandlung in der Firma führt. Alle Beteiligten müssen begreifen, dass unterschiedliche Lebensphasen auch unterschiedliche Präsenzkulturen mit sich bringen. Das ist anstrengend für Teamleiter, aber es lohnt sich.

Klar muss auch sein, dass Homeoffice nicht allen Mitarbeitern gleichermaßen guttut. Da kommen auch Fürsorgepflichten der Arbeitgeber und Vorgesetzten ins Spiel: Vereinsamen Mitarbeiter zu Hause? Wenn ja, welche Kommunikationspunkte fehlen? Wie geht es dem gesamten Team? Nicht alles lässt sich mithilfe perfekt funktionierender Technologie regeln. Es braucht auch mitmenschliches Gespür.

Dass Mitarbeiter im Homeoffice ein besonders hohes Maß an Selbstdisziplin, Selbstmanagement und Selbstfürsorge brauchen, ist eine weitere Geschichte. Das verlangt individuell viel ab. Auch das lässt sich nicht auf Hochglanz fotografieren. (Karin Bauer, 14.3.2020)