Hongkongs Straßen könnten sich schon bald mehr beleben.
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Sie waren schnell – und profitieren jetzt davon: Wer heute über die Infektionszahlen in Hongkong und Taiwan staunt, der stößt schnell auf eine verblüffend einfache Begründung dafür: Beide Staaten haben gewissermaßen von ihrer Nähe und engen Verbindung zur Volksrepublik China profitiert. Anders als in Europa gab es dort nie die Frage, ob es das neuartige Coronavirus über die Grenzen schaffen würde – und nicht zuletzt deshalb haben beide Staaten früh reagiert.

Schon Anfang Februar standen strikte Quarantäneregeln fest, Einreisen wurden massiv erschwert. Und bald darauf gab es auch das, was nun auch in Österreich als "Minimierung der Sozialkontakte" bekannt ist. Die Folgen sind deutlich: Die Infektionskurve verläuft in beiden Staaten wesentlich flacher, als sie das etwa in Europa derzeit tut. Sie beweisen damit, dass sich die Bekämpfung des Virus auch mit einer relativ offenen Gesellschaft in Verbindung bringen lässt.

Quarantäne und Distanzierung sind nicht alles

Allerdings: Quarantäne und Distanzierung sind nicht alles. Das zeigt das Beispiel Singapur, das seine Fallzahlen bisher ebenfalls niedrig gehalten hat – und zwar, ohne das öffentliche Leben völlig zurückzufahren. Die Stadt mit der großen chinesischen Bevölkerung war als eine der ersten betroffen. Dennoch stand man bis inklusive Freitag bei nur insgesamt 200 Fällen und keinem Todesfall.

Das liegt auch an der charakteristischen Strenge der gelenkten singapurischen Demokratie: Der Staat hat nicht nur früh Quarantäneregeln beschlossen, sondern auch mit großem Aufwand alle Bewegungen jener Personen nachverfolgt, bei denen der Verdacht einer Infektion bestand. Dabei half auch ein Aspekt, der gewöhnlich in Europa kritisch beurteilt wird: die fast flächendeckende Überwachung durch Videokameras und der einfache Zugriff auf GPS- und anderen Location-Daten von Mobiltelefonen. Zudem setzte es für jene, die sich den Anordnungen widersetzen, hohe Geldstrafen.

Aber auch die Informationspolitik war ein Eckstein des relativen Erfolgs: Die Regierung hat Anzeigen auf den Titelseiten vieler Zeitungen erworben, um die Bürgerinnen und Bürger darüber zu informieren, wie sie sich im Zweifel zu verhalten haben. Dazu kommt auch ein gesundheitspolitisches Zuckerbrot: Die Regierung zahlt alle nötigen Gesundheitsausgaben, auch Tests sind gratis.

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Wissen schützt

Und Tests sind es auch, die anderswo als Teil des Erfolgsrezeptes gesehen werden. Zwar startete Südkorea denkbar schlecht in die Covid-19-Bekämpfung, als die Zahl der Fälle Ende Februar just zu jenem Moment massiv anzusteigen begann, als Präsident Moon Jae-in gerade verkündet hatte, das Schlimmste sei vorbei.

Doch nach insgesamt 7.900 Infektionen und 71 Todesfällen verläuft die Kurve der Neuinfektionen seit einigen Tagen fast waagrecht – das ist genau jene mittlerweile oft erwähnte Abflachung der Infektionskurve, die andere Staaten zu erreichen versuchen.

Dabei kam auch der Zufall zu Hilfe: Erst Mitte 2019 hat man in einem Regierungskrisenstab genau für den Fall einer Pandemie umfangreiche Pläne entworfen. Als besonders wichtig wurde dabei beurteilt, ausreichende Kapazitäten für Virustests zu schaffen. Genau die schöpft Seoul in der aktuellen Krise nun auch aus. Bis zu 20.000 Tests am Tag können im Land am Han-Fluss durchgeführt werden. Damit können auch Menschen überprüft werden, die etwa mit Kranken in Kontakt waren, selbst aber keine Symptome zeigen. Das ist wichtiges Wissen, um die Verbreitung zu verhindern – und solches, das negativ getesteten Menschen ermöglicht, ihren Alltag fortzuführen. Nebenbei häufte man so Wissen über Verbreitung und Gefährlichkeit des Virus an. Ausgangssperren gab es hingegen nur sehr örtlich begrenzt – nicht zuletzt deshalb, weil viele Südkoreanerinnen und Südkoreaner von sich aus zu Hause blieben. (Manuel Escher, 13.3.2020)