Protagonisten der erotischen Subkultur: Muschi McBuschi, Gloria Maria von Wurst und Sergeant Propellor.

Bettina Frenzel

Schon mal von der Sextinischen Kapelle gehört? Ja, natürlich, in den 80er-Jahren in der Unterstufe im Gymnasium am Land. Da wurde viel gelacht. Dann wurde es schlagartig ruhig um den Wortwitz. Aber siehe da, er hat Durchhaltevermögen und sogar Wiederauferstehungsqualität. Zumindest reicht er als sekundenschnelle Pointe im hektisch zelebrierten Abgesang auf ein feministisches Pornokino. Diese glitzernde Show ist nach der Uraufführung am Mittwoch im Kosmostheater Wien wegen den Corona-Vorsichtsmaßnahmen vorerst ausgesetzt.

Sämtliche März-Spieltermine sind abgesagt, im April ist bereits anderes geplant, und wenn es keine Wiederaufnahme geben sollte, dann kann man höchstens auf eine digitale Streaming-Plattform hoffen, wie es sie nun brandneu in Deutschland für Schauspiel, Tanz und Performance gibt (www.spectyou.com). Ab 19. März geht diese in Testphase. Aber so schnell wird man eine derartige Ö-Plattform wohl nicht aus dem Boden stampfen können.

Muschi McBuschi

Der Hot Flamingo Bar wird im Stück Sex Smells von moralmaroden Politikern und Immobilienhaien jedenfalls der Garaus gemacht. In Form eines Rückblicks schaffen Muschi McBuschi (Marlene-Sophie Hagen), Gloria Maria von Wurst (Fabian Raabe) und Sergeant Propellor (Carolin Wiedenbröker) emotionale Bindung zu dem vor dem Aus stehenden Etablissement erotischer Subkultur. Hier haben sich Politiker aus Industrie und Wirtschaft sonst immer sehr wohlgefühlt. In einem etwas verwirrenden Mix der Zeiten und Orte wird erzählt: vom Kaffeehaustisch im Vordergrund (Jetztzeit) über Livecam-Einspielungen aus dem Back (Rückschau) bis zu nämlicher Flamingo-Bar, die als garagengroße Box aus durchsichtigem Plastik im Bühnenzentrum steht.

Ausgerechnet von ihrem Inneren sieht man am wenigsten – eh klar, um die Fantasien anzuregen: Palmen, Glitzerlichter, Kuschelecken, Fernseher hinter verschwommenen Plastikwänden (Bühne/Kostüme: Lisa Jacobi). Doch dieses Setting der Inszenierung von Paula Thielecke (auch Text) funktioniert nicht wirklich. Das Schauspielerinnentrio wechselt mit der Kamerafrau Tara Afsah angestrengt zwischen frontalem Erzähltheater vorne und szenischem Spiel auf der Live-cam-Hinterbühne hin und her. Vor allem aber bleiben dramaturgische Lücken und steile Ansagen.

"15 Maillarden Dollar"

Zur Rettung der Bar wird nämlich eine "post-patriarchale Erotik-Arthaus-Märchen-Spenden-Gala-Show" ins Leben gerufen, um "15 Maillarden Dollar" zu lukrieren. Maillarden? Ja. Das Stück leidet vor allem an seiner vorsätzlichen Explosivität: Es trieft vor Wortspielen und Überzeichnungen, es rast dahin und verschluckt seine Botschaften und politischen Implikationen. Schließlich geht es um ein Exempel akuter Gentrifizierung und das brutale Auftrumpfen der Macht. (Margarete Affenzeller, 14.3.2020)