Das Coronavirus teilt unsere Gesellschaft in Extreme: Da gibt es unter anderem die Beschwichtiger, die den Aufwand für übertrieben halten, eine Krankheit mit grippeähnlichen Symptomen so massiv zu bekämpfen. Da gibt es die Panikmacher, die sich in Weltuntergangsszenarios verirren und zu Hamsterkäufen raten. Da gibt es jene, die Angst haben und Ohnmacht verspüren. Und da gibt es jene, die dringend unser aller Schutz brauchen, weil sie im Falle einer Infektion womöglich sogar um ihr Leben kämpfen müssen.

Letztere Gruppe ist es, für deren Schutz die Bundesregierung harte Maßnahmen für das ganze Land beschlossen hat. Um ihr Leben zu retten, müssen wir alle unser Leben ändern – von heute auf morgen. Den Kampf gegen das Coronavirus können wir nur gewinnen, wenn unsere Gesellschaft nicht in Extreme auseinanderdriftet.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober, Bundeskanzler Sebastian Kurz und Innenminister Karl Nehammer präsentierten am Freitag weitere Maßnahmen für Österreich.
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Geschlossene Schulen, keine Kultur- und Sportereignisse, leere Bars, kein Shopping, kaum Familienbesuche – das bedeutet einen Verlust an Lebensqualität. Wer jung ist und sich infiziert, muss meist nur mit einem milden Krankheitsverlauf rechnen. Dennoch müssen sich auch junge Menschen beschränken, damit ältere und gefährdete Mitbürger geschützt sind. Somit stellt uns das Coronavirus vor eine große Prüfung für die Solidarität in unserer Gesellschaft. Um sie zu bestehen, müssen wir zusammenhelfen, auch wenn es schmerzt.

Es ist ernst

Inhaltlich sind die Maßnahmen der Bundesregierung vernünftig, wie die Erfahrungswerte aus anderen Ländern zeigen. Länder, die rasch und konsequent gehandelt haben, bekommen die Krankheit in den Griff. Die Opferzahlen steigen hingegen stetig weiter, wo teils halbherzig, teils spät reagiert wurde. Das kann sich Österreich nicht leisten, so nahe an Italien, so stark bereist von Touristen.

Daher sollten die Maßnahmen vom Freitag auch einen psychologischen Effekt entfalten. Spätestens jetzt muss allen klar sein: Es ist ernst. Und – so die Hoffnung: Ich bin Teil der Lösung. Jeder kann einen Beitrag leisten. Wir sind dem Virus nicht schutzlos ausgeliefert; mit besonderer Hygiene und dem Versuch, soziale Kontakte zu verringern, lässt sich die Verbreitung in den Griff bekommen.

Berührend ist, wie Menschen sich auf Online-Plattformen zusammentun, um für Ältere, die ihre Häuser derzeit nicht verlassen können, einzukaufen und andere Erledigungen zu machen. Das ist der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält.

Das Coronavirus wird Österreich dauerhaft verändern. Unsere Gesellschaft wird am Ende, wenn die Krise überstanden ist, eine andere sein. Auch die Wirtschaft wird gelitten haben, Selbstständige, viele Kleinunternehmen und Großbetriebe mit all ihren Angestellten brauchen Hilfe, um durchzukommen. Aber: Wenn wir diese Herausforderung gemeinsam gemeistert haben, werden wir als Gesellschaft über uns hinausgewachsen sein. Und bereit sein für noch größere Herausforderungen, wie etwa den Klimaschutz.

Das, was eine Gesellschaft auszeichnet, ist der Zusammenhalt, wenn es ernst wird. Das sieht man auch im Kleinen in einer Redaktion wie dem STANDARD, wo viele bereitwillig ins Homeoffice umziehen und Kollegen solidarisch Hilfe anbieten. Gemeinsam geben wir unser Bestes, unter erschwerten Umständen für Sie zuverlässig zu berichten. Allein gestern haben sich 1,2 Millionen Menschen auf derStandard.at informiert. Wir tickern von früh bis spät, dutzende Redakteurinnen und Redakteure recherchieren Hintergrundinfos für Sie. Kommen Sie gut durch die nächste Zeit!

(Martin Kotynek, 14.3.2020)