Akemi Takeya: "Lemonism x Actionism" – Kunst gegen manipulative Politik bei der vierten Biennale Innsbruck International.

Foto: Karolina Miernik

Im Shoppingcenter gibt es Bedrohungsszenarien zum Schleuderpreis, man muss nur die richtige Einstellung mitbringen. Zwei Schwestern, die eine xenophob, die andere mit Angst vor Infektionskrankheiten, tun das. Es kommt, wie es kommen muss: In der Tiefgarage fällt das Licht aus, ein Schrei zerreißt die Stille ...

Im Stil eines Psychothrillers lässt Cecilia Stenbom im 2014 entstandenen Video System Kontrollzwang in Kontrollverlust kippen. Ängste werden vor dem Hintergrund einer von Massenkonsum und Informationsflut getriebenen Gesellschaft zu betrachtet.

Stenboms System hätte vielleicht als abstrakte Angelegenheit gegolten, hätten ihm Coronavirus und Flüchtlinge nicht zum Start der Innsbrucker Kunstbiennale Aktualität verliehen. Jede Angst ein Treffer – jedes Bedrohungsszenario etwas, aus dem sich politisches Kapital schlagen lässt?

Entdeckungen

Der fast wie eine Klosterzelle anmutende Raum der privat betriebenen Innsbrucker Galerie A4, in dem Stenboms Arbeit gezeigt wird, ist insofern kein schlechter Startpunkt für einen Rundgang durch die Standorte der Biennale, sie sind über die ganze Stadt verteilt. Es gehe darum, sich mit aktuellen Fragen in bestehende Orte einzuschreiben, sagt die künstlerische Leiterin und Biennale-Gründerin Tereza Kotyk.

Man hat so in den vergangenen Jahren lohnende architektonische Entdeckungen gemacht und tut das einmal mehr bei der jetzt laufenden vierten Ausgabe. Schwerer wiegt das hohe Niveau der künstlerischen Arbeiten, gezeigt werden internationale Video- und Performancekunst, außerdem eigens in Auftrag gegebene musikalische Arbeiten wie Ulrike Haages Vertonung von Gedichten der libanesischen Lyrikerin Etel Adnan in der Servitenkirche.

Flüchtlinge als politischer Spielball

Der Biennale-Titel Human Capital trifft angesichts von Flüchtlingen als politischem Spielball einen Nerv. Kotyk macht politische Kunst gegen eine Politik der Angst: Im zum Welcome Center erklärten Biennalezentrum im Glaskubus vor dem Landestheater, wo Nada Prljas ausrangierte Demonstrationsschilder so plakativ wie griffbereit in einer Ecke lehnen.

Ein aufgelassener Baumarkt wiederum ist eine eindrucksvolle Bühne für den Star dieser Biennale: Steve McQueens End Credits basiert auf den FBI-Akten über den afroamerikanischen Sänger Paul Robeson, der in der McCarthy-Ära verfolgt wurde.

Die Arbeit daran ist fortlaufend, Innsbruck International hat sich als Koproduzentin an der aktuellen Version beteiligt. Unter anderem mit Performances von Isaac Chong Wai und Akemi Takeyas noch zu eröffnender Schau Lemonism in Hall warten auch noch andere Highlights im Programm. (Ivona Jelčić, 15.3.2020)