Viele Geschäfte und Restaurants bleiben geschlossen.

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Kanzler und Vizekanzler mit Abstand im Parlament.

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Die österreichische Regierung setzt weitere drastische Schritte im Kampf gegen das Coronavirus. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) kündigte am Sonntag im Zuge einer Sondersitzung des Nationalrats Maßnahmen an, mit denen die Bewegungsfreiheit im öffentlichen Raum weiter eingeschränkt wird. Spiel- und Sportplätze werden geschlossen. Kontrolliert soll das auch durch die Polizei werden. Das entsprechende Gesetz, das sowohl die einschneidenden Maßnahmen als auch die angekündigten Hilfen für die Wirtschaft ermöglicht, wurde zu Mittag einstimmig im Nationalrat beschlossen.

Ausgangsbeschränkungen

Die Bundesregierung hat für ganz Österreich eine "Ausgangsbeschränkung" ausgerufen. Für Ausnahmen, das Haus zu verlassen, soll es nur drei Gründe geben: Berufsarbeit, die nicht aufschiebbar ist, dringend notwendige Besorgungen (Lebensmittel) und wenn man anderen Menschen helfen muss.

Wer im dringenden Fall ins Freie möchte, "der darf das ausschließlich allein machen oder mit den Personen, mit denen er in der Wohnung gemeinsam zusammenlebt", so der Bundeskanzler.

Bereits ab Sonntag wird laut Kurz die Polizei an Spielplätzen und im öffentlichen Raum unterwegs sein und größere Gruppen dazu auffordern, das zu unterlassen, so Kurz.

Quarantäne in Tirol und Kärnten

In Tirol gelten noch schärfere Maßnahmen. Es gelten umfangreiche "Verkehrsbeschränkungen". So darf niemand mehr ohne triftigen Grund das Haus verlassen. Ausnahme: Besorgungen, die Grundbedürfnisse oder den medizinischen Bedarf stillen. Den Hund darf man ausführen und – wenn unbedingt nötig – den Arbeitsplatz aufsuchen. Die Maßnahmen gelten vorerst für eine Woche.

Auch der Kärntner Ort Heiligenblut ist unter Quarantäne gestellt worden. Wer sich seit 28. Februar in Ischgl, Kappl, See, Galtür, St. Anton am Arlberg oder Heiligenblut aufgehalten hat, soll sich in Selbstisolation begeben.

Verwaltungsstrafen möglich

Die Beschränkungen im öffentlichen Raum werden laut Bundeskanzleramt ab Montag von der Polizei kontrolliert, im Bedarfsfall drohen auch empfindliche Verwaltungsstrafen. Man kann sich zwar abseits der drei Ausnahmen weiterhin im öffentlichen Raum aufhalten, etwa für Spaziergänge, dies aber nur allein oder mit Personen, mit denen man zusammenlebt. Dies solle aber nur in dringenden Fällen geschehen. Die Strafen: Wer einen gesperrten Ort betritt, kann bis zu 3.600 Euro zahlen müssen. Das gilt auch für Firmen. Wer als Inhaber ein Betreten zulässt, kann mit einer Geldstrafe von bis zu 30.000 Euro bestraft werden.

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Werden Personen von der Exekutive allein angetroffen, gibt es laut Auskunft aus dem Kanzleramt keine Maßnahmen. Werden Gruppen angetroffen, werden diese darauf hingewiesen, "dass sie sich auflösen sollen", hieß es im Kanzleramt. Dies soll auch schon am Sonntag erfolgen. Maximal fünf Menschen sollen sich an einem Ort aufhalten.

Ab Montag drohen dann bei Zuwiderhandeln Verwaltungsstrafen in Höhe von bis zu 2.180 Euro. Strafen sind auch möglich, wenn man die Platzverbote – etwa für Spielplätze – missachtet: Hier ist mit Verwaltungsstrafen in Höhe von bis zu 3.600 Euro zu rechnen. Die Regierung appelliert aber an die "Vernunft und Eigenverantwortung", wie es hieß.

Lokale und Geschäfte

Ab Dienstag werden alle Restaurants, Kaffeehäuser, Bars und Lokale vollständig geschlossen. Sie werden also auch nicht, wie früher geplant, bis 15 Uhr geöffnet bleiben. Supermärkte haben offen, das Covid-19-Gesetz sieht jedoch die Möglichkeit einer Blockabfertigung vor. Die Versorgungssicherheit wurde von Kanzler Kurz garantiert.

Lieferservices stellen weiterhin zu; offen haben Geschäfte, deren Produkte für den täglichen Bedarf nötig sind: Drogerien, Supermärkte, Apotheken, Trafiken, Tankstellen und Geschäfte für Tierfutter. Auch Banken und die Post bleiben offen.

Schulen

Ausnahmslos alle Oberstufenschüler müssen ab Montag zu Hause bleiben. Das gilt prinzipiell auch für Volksschulen, Sonderschulen, AHS-Unterstufen und Neue Mittelschulen. Offen sind diese für Kinder, deren Eltern außer Haus erwerbstätig sein müssen. Außerdem wurde Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) ermächtigt, einen späteren Maturatermin zu verordnen.

Spitäler

Spitalsbesuche sind nur noch auf der Kinder- und der Palliativstation erlaubt. In Wien gibt es seit Sonntag Zugangs- und Gesundheitskontrollen für Patienten, MItarbeiter und Besucher im Kaiser-Franz-Josef-Spital, im AKH sowie im Krankenhaus Nord. Das wird bis Mittwoch schrittweise auf alle Gemeindespitäler ausgeweitet werden.

Zivildiener und Miliz

Überraschend wurde eine Wiedereinberufung ehemaliger Zivildiener ausgerufen. Das soll zunächst freiwillig passieren und jene betreffen, die in den vergangenen fünf Jahren Zivildienst geleistet haben. Rechtlich ist ein "außerordentlicher Zivildienst" bis zum 50. Lebensjahr möglich. Damit sollen Engpässe im Pflegebereich und beim Roten Kreuz abgemildert werden. Bei Grundwehrdienern wurden die Abrüstungen gestoppt, bei der Miliz kommt eine Teilmobilisierung.

Justiz

Verhandlungen werden großteils verschoben; Einvernahmen sollen vermehrt per Videotelefonie stattfinden. Neue Häftlinge werden isoliert, bevor sie in den allgemeinen Trakt übersiedelt werden.

Kurzarbeit

Die Regierung stellt 400 Millionen Euro für Kurzarbeit zur Verfügung. Die Arbeitszeit kann bis auf null reduziert werden, die Nettoersatzrate beträgt 90 Prozent bei Entgelt bis 1.700 Euro brutto; 85 Prozent zwischen 1.700 und 2.685 Euro brutto und 80 Prozent darüber.

Zeitguthaben und Alturlaubstage sind zur Gänze zu konsumieren; den laufenden Urlaub muss man in den ersten drei Monaten nicht verbrauchen. Wenn die Kurzarbeit länger dauert, wären noch drei Wochen zu opfern. Kurzarbeit soll binnen 48 Stunden mit dem AMS vereinbart werden können.

Grenzen

Österreich hat erst in der vergangenen Woche die Grenzen zu Italien dichtgemacht, es folgten Liechtenstein und die Schweiz. An diesen Grenzen wird lückenlos kontrolliert. Ins Land kommen nur noch Personen, die ein ärztliches Attest vorweisen können, oder jene, die die Möglichkeit zur 14-tägigen Heimquarantäne in Österreich haben. Der Güterverkehr bleibt weiterhin aufrecht.

Reisen

Es gelten derzeit dezidierte Reisewarnungen der höchsten Sicherheitsstufe 6 für Italien, San Marino und den Vatikan, Frankreich, Iran, die Niederlande, Russland, die Schweiz, Spanien, Südkorea, Ukraine und für Großbritannien. Österreicher, die sich derzeit in einem dieser Länder aufhalten, werden ersucht, zurückzukehren.

Ein hohes Sicherheitsrisiko der Stufe 4 besteht für alle Länder weltweit.

Ab Dienstag dürfen zusätzlich keine Flüge aus Großbritannien, den Niederlanden, Russland und der Ukraine in Österreich landen. Auch der Zugsverkehr mit manchen Ländern wird eingestellt.

Wirtschaftshilfe

Die Regierung hat einen Hilfsfonds mit dem Volumen von vier Milliarden Euro angekündigt. Um die Zahlungsfähigkeit der Firmen zu sichern, soll es Kreditgarantien und Überbrückungskredite geben sowie die Stundung von Steuern und Sozialbeiträgen und die Herabsetzung von Steuervorauszahlungen. Das Gesetz tritt mit Ende 2020 wieder außer Kraft. Zusätzlich gibt es einen Härtefonds mit Mitteln von 50 Millionen Euro.

Österreichweit einheitlich, auch für Tirol

Die von der Regierung angekündigten "Ausgangsbeschränkungen" werden österreichweit einheitlich gestaltet, das gilt auch für Tirol. Dazu wird es von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) eine Weisung an die Bezirksverwaltungsbehörden geben, allen Bewohnern "Verkehrbeschränkungen" anzuordnen, hieß es aus dem Kanzleramt. Konkret müssen alle in der eigenen Wohnung bleiben, abgesehen von den Ausnahmen.

Auch die Erlaubnis zum Spazierengehen wird in der Verordnung explizit genannt werden, hieß es aus dem Kanzleramt – und zwar "in dringenden Fällen allein oder im Familienverband".

Für die Weisung und den folgenden Erlass der jeweiligen Behörden bedarf es keiner neuen Beschlüsse im Nationalrat, denn die Verkehrbeschränkungen sind im bestehenden Epidemiegesetz (Paragraf 24) geregelt, so das Kanzleramt. Dort heißt es, Bezirksverwaltungsbehörden haben für die Bewohner von Epidemiegebieten Verkehrbeschränkungen zu verfügen, "sofern dies im Hinblick auf Art und Umfang des Auftretens einer meldepflichtigen Erkrankung zum Schutz vor deren Weiterverbreitung unbedingt erforderlich ist". Die Strafen (bis zu 2.180 Euro) sind ebenfalls im Epidemiegesetz geregelt (Paragrafen 39 und 40).

Die Betretungsverbote für bestimmte Orte (etwa Spielplätze) werden mittels Verordnung des Gesundheitsministers erfolgen, diese benötigten als Basis die Nationalratsbeschlüsse vom Sonntag. (red, APA, 15.3.2020)