Der Umstand, dass am Wochenende gleich zwei Sondersitzungen angesichts der Coronavirus-Krise stattfanden, war so außergewöhnlich für die Zweite Republik wie die Szenerie im Parlament an sich. Die Abgeordneten mussten Abstand zueinander halten. "Bitte nicht benutzen" stand auf jedem zweiten Sitzplatz. Einige Parlamentarier blieben bis zur Abstimmung über das "Corona-Gesetz" oben auf der Galerie. Desinfektionsmittel standen für die Fernsehzuseher exemplarisch auf dem Rednerpult.

Ausreichend Abstand: Vizekanzler Kogler (Grüne) und Kanzler Kurz (ÖVP) im Plenum.
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Härter in der Sache und im Ton wurde auch die türkis-grüne Regierungsspitze, weil am Samstag trotz Warnungen etwa die Wiener Mariahilfer Straße, einige Bars und Parks zu gut besucht waren. Einige hätten es noch immer nicht verstanden, lautete der Tenor. "Das kann es nicht mehr sein und das darf es nicht mehr sein", stellte Vizekanzler Werner Kogler ungewöhnlich laut klar. "Wir werden alles daran setzen, das zu unterbinden, wenn es freiwillig nicht geht."

Die Vorstufe einer Ausgangssperre wurde am Sonntag umgesetzt. Kanzler Sebastian Kurz verkündete weitere Einschränkungen der Bewegungsfreiheit im öffentlichen Raum. So werden unter anderem Menschenansammlungen ab Montag polizeilich geahndet. Restaurants, Parks und Spielplätze werden ab Dienstag geschlossen (siehe hier).

Einmalig ist auch, wie schnell das "Corona-Gesetz" entstand. Am Samstagnachmittag wurde dieses vom Nationalrat dem Budgetausschuss in zwei Sitzungen zugewiesen. Dort wurde es einstimmig angenommen. Am Sonntagvormittag wurde es vom Nationalrat beschlossen, danach vom Bundesrat. Bundespräsident Alexander Van der Bellen segnete es noch am selben Tag ab, damit es mit heute, Montag, in Kraft tritt.

Alles rechtens

Summa summarum sind alle rigorosen Maßnahmen, die der Nationalrat am Wochenende im Eiltempo durchgepeitscht hat, rechtlich durch das Epidemiegesetz und auch durch die Verfassung gedeckt, erklärt Verfassungsrechtler Heinz Mayer im STANDARD-Gespräch. Auch die weitreichenden Einschränkungen der persönlichen Freiheit, um weitere Ansteckungen zu verhindern, sind verfassungsrechtlich ausdrücklich gestattet; ebenso nach der Menschenrechtskonvention.

Es gilt: Die Maßnahmen müssen verhältnismäßig sein, das heißt, sie müssen voraussichtlich notwendig sein, um eine Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern. Sollte sich im Nachhinein der eine oder andere Schritt als überschießend herausstellen, gelten diese trotzdem als rechtmäßig, weil es bei der Bewertung auf eine Ex-ante-Betrachtung ankommt.

Auch dass Finanzminister Gernot Blümel notfalls ohne Parlamentsbeschluss über weitere Budgetmittel entscheiden kann, ist "nicht unzulässig", so der Experte – auch wenn das die Opposition kritisch sieht. Die Verfassung sieht vor, dass der Gesetzgeber derartige Ermächtigungen erteilen kann. Das Einziehen von Ex-Zivildienern als Sanitätskräfte wiederum sei durch Paragraf 21 des Zivildienstgesetzes gedeckt.

Die Plenarsitzungen am Mittwoch und Donnerstag sollten zunächst aus Platzgründen an einem anderen Ort stattfinden. Dazu kommt es aber nun aus technischen Gründen doch nicht, sagt Parlamentssprecher Karl-Heinz Grundböck. Das Parlament bleibt unter Sicherheitsvorkehrungen im Ausweichquartier in der Hofburg. (Jan Michael Marchart, Fabian Schmid, Nina Weißensteiner, 15.3.2020)