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Die Börsen waren in der vergangenen Woche im Panikmodus. Die Gefahr einer nächsten Finanzkrise wird größer.

Foto: Getty Images / Spencer Platt

Das Coronavirus hat die Finanzwelt weiterhin fest im Griff. Die Börsen verzeichneten zu Wochenbeginn neuerlich schwere Verluste, nachdem die US-Notenbank am Sonntag das Zinsniveau nochmals deutlich verringert hatte. An der Wall Street wurde der Handel knapp nach der Eröffnung unterbrochen, da der Dow Jones 9,7 Prozent abgesackt war. Nach der Wiederaufnahme weitete der Index den Verlust auf zwölf Prozent aus. Wenn der Dow auf diesem Niveau schließen würde, wäre das der drittgrößte Verlust seiner Geschichte.

Der deutsche Leitindex Dax lag am Nachmittag neun Prozent im Minus, der Wiener ATX brach um etwa zwölf Prozent ein.

Warum der neuerliche Absturz?

Die Fed hatte in Kooperation mit anderen Notenbanken am Sonntag deutlich gemacht, dass es gilt, ein Szenario wie jenes von 2008 zu verhindern. Das nehmen die Märkte zwar zur Kenntnis. Die Maßnahmen der Notenbanken zeigen aber deutlich, wie ernst die Lage mittlerweile ist. Und dieses Spannungsfeld belastet. "Die konzertierte Aktion der Notenbaken soll zeigen, dass die Liquidität im Finanzsystem sichergestellt wird. Zeitgleich macht das die Besorgnis im Markt deutlich", erklärt Monika Rosen-Philipp, Chefanalystin Private Banking der Unicredit Bank Austria.

"Es ist von der gesundheitlichen Seite her nicht abschätzbar, wie lange die Coronavirus-Pandemie dauern wird, daher sind die wirtschaftlichen Folgen nur schwer prognostizierbar", sagt Rosen-Philipp. "Das macht die Börsen zusätzlich so nervös."

Wie nervös die Finanzmärkte in Summe sind, zeigt sich daran, dass die US-Notenbank Fed die Leitzinsen Sonntagnacht auf fast null herabgesenkt hat. Kommenden Mittwoch kommen die Währungshüter zur nächsten Zinssitzung zusammen. Dass die Zinsen noch vor diesem nächsten regulären Treffen herabgesetzt werden, war im Markt bereits erwartet worden. Die neue Zinsspanne liegt bei null bis 0,25 Prozent. Zuletzt hatte die Fed die Zinsen am 3. März überraschend gesenkt. Es war damals die erste Zinssenkung seit der Finanzkrise 2008, die außerhalb eines regulären Meetings bekanntgegeben wurde.

Wirtschaft am Leben halten

"Durch die in Summe extrem angespannte Lage gilt es, Zweitrundeneffekte zu verhindern", erklärt Gerhard Winzer, Chefvolkswirt der Erste Asset Managment. Die Liquidität, die von den Notenbanken und anderen Stellen zugesagt werde, müsse auch bei den kleinen Unternehmen und EPUs ankommen, "damit diese noch da sind, wenn die Nachfrage wieder steigt", sagt Winzer.

Und hier steckt die Sprengkraft, die jetzt zu Panikverkäufen führt. Durch die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus sind viele Branchen – allen voran der Tourismus – von einem Angebots- und einem Nachfragestopp betroffen. Dennoch laufen Kosten (für Miete, Inventar, Personal) weiter. Wenige Unternehmen können sich das lange leisten. Je mehr Konkurse es gibt, je höher die Arbeitslosigkeit steigt, desto mehr werden die Leute ihre Kredite nicht mehr bezahlten können, die Rate der sogenannten Non Performing Loans (NPL) wird wieder ansteigen. Das trifft die Banken, die als Liquiditätsverteiler eine wichtige Rolle haben. Kommt es wieder zu Kreditklemmen, trifft das die Unternehmerlandschaft und die Wirtschaft enorm.

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Nervosität groß

Die Nervosität ist an den Finanzmärkten zuletzt stark gestiegen. Das zeigt sich auch an einer Meldung, wonach die US-Notenbank wohl kurz davor steht, auch die Liquidität drastisch zu erhöhen, indem sie beginnt, Commercial Papers aufzukaufen. Das sind Anleihen, die viele US-Unternehmen (auch KMUs) begeben, um sich kurzfristig Geld über den Kapitalmarkt zu beschaffen – für Gehaltsfortzahlungen, das Inventar oder unerwarteten Finanzierungsbedarf. Commercial Papers werden in mehreren Tranchen mit Laufzeiten von wenigen Tagen bis zu zwei Jahren über einen längeren Zeitraum hinweg emittiert. Trocknet dieser Markt aus, müssen all diese Unternehmen auf Banken als Kreditgeber zurückgreifen. Dass kann die Banken überfordern. Und das gilt es zu verhindern.

Analysten der Bank of America glauben daher, dass die Fed auf diese Maßnahme wird zurückgreifen müssen, um die Liquidität – also die Fähigkeit von Käufern und Verkäufern, Transaktionen problemlos durchzuführen – am Leben zu erhalten. Anzeichen für Probleme in diesem Marktsegment seien bereits erkennbar, heißt es. Laut Angaben des Analysehauses Refinitiv Eikon fordern Anleger für Commercial Papers bereits die höchste Prämie seit März 2009. Zudem führe die Erwartung eines Ansturms neuer Emissionen zu einer Preissenkung der Papiere. Für den Aufkauf der Commercial Papers braucht die Fed jedoch die Zustimmung vom Kongress.

Mit all diesen Maßnahmen und Szenarien werden Erinnerungen an die Finanzkrise im Jahr 2008 wach. Damals hatte die Fed ebenfalls zu dieser Maßnahme gegriffen, um das Austrocknen dieses Marktsegments zu verhindern. Damals haben selbst Banken aufgehört, sich untereinander Geld zu borgen, weil das Vertrauen gefehlt hat, dass man selbiges wieder retour bekommt.

Krisenfeuerwehr

Vergangene Woche hatte die Fed angekündigt, Staatsanleihen im Wert von 37 Milliarden Dollar aufzukaufen. Das wurde von einigen Marktteilnehmern als zu gering eingestuft. Der Ruf, dass die Fed auch andere Papiere kauft, wurde seit dem lauter. Auch hier hat die Fed bereits reagiert und mitgeteilt, dass sie ihre Aufkäufe weiterführen wird. Die US-Notenbank wird zur Stützung der Wirtschaft in den kommenden Wochen mindestens 700 Milliarden Dollar in die Hand nehmen und damit ihre Bilanz massiv aufblähen.

Die Gefahr, dass wir auf eine nächste Finanzkrise zusteuern, wächst. Vieles wird sich aber erst in den kommenden Wochen genauer analysieren lassen. Können konjunkturelle Folgen der Corona-Krise in ein paar Monaten eingefangen werden, werde auch die Erholung der Wirtschaft rasch verlaufen, heißt es. Legen die Staaten noch ein Konjunkturprogramm nach, wären das auch für die Börsen wieder Impulse, die die Kurse nach oben treiben.

Berichtssaison

Interessant werden daher auch die erwarteten Zahlen von großen Unternehmen. "Kommende Woche etwa berichtet Fed Ex über den Geschäftsverlauf. Als großer Logistiker sind sie ein Gradmesser für die Konjunktur", sagt Rosen-Philipp. Kommende Woche werden auch wichtige Indikatoren wie etwa der ZEW-Index neue Einschätzungen liefern.

An den Börsen wird die Volatilität bleiben. Aber auch dort gibt es Maßnahmen, um eine Ausbreitung des Coronavirus zu unterbinden. Die Börse in Abu Dhabi hat angekündigt, die Handelshalle zu schließen. An der Warenbörse in Chicago wurde der Präsenzhandel eingestellt. Der elektronische Handel bleibt freilich aufrecht. (Bettina Pfluger, 16.3.2020)