Diesen Beitrag habe ich anlässlich der derzeitigen Ereignisse und Maßnahmen rund um das Corona-Virus verfasst. Ich beschäftige mich darin mit den hygienischen und gesundheitlichen Aspekten sowie den Maßnahmen gegen die Ausbreitung ansteckender Krankheiten in den Luftschutzbunkern des Zweiten Weltkriegs, die ab 1941 in vielen Parks und unter freien Flächen erbaut worden waren.

Dicht gedrängt standen im Alarmfall meist deutlich mehr als die zugelassene Anzahl schutzsuchender Personen in den Kammern und Gängen des Bunkers und warteten auf das Signal zur Entwarnung. Von kranken Menschen ging in dieser Situation große Gefahr aus. Der Ausbreitungsweg der Viren war hier auf engstem Raum nicht weit.
Der Bremer Arzt Albrecht Mertz bezeichnete im April 1945 die Bedingungen in einem Bunker als "ideale Brutstätte" für die Ausbreitung von Epidemien. Um hundertfache Ansteckungen zu verhindern, galt für Bunkerwarte die Order, infektiöse Personen gar nicht erst in den Bunker hineinzulassen oder in separaten Kammern unterzubringen.

Wegweiser in einem Wiener Bunker für die Schutzsuchenden nachdem sie die Gasschleuse passiert hatten
Foto: Thomas Keplinger

Im Geschiebe der Menschen, die nach einem Fliegeralarm zu den Bunkern rannten, konnten aber natürlich nicht alle festgestellt werden, die potenziell infektiös waren. Auch viele Mütter mit kranken Kindern fügten sich nahtlos in die Masse der Schutzsuchenden und meldeten die Erkrankungen nicht beim Bunkerwart – aus Angst, dewegen keinen Platz zu bekommen.

Beschriftung "Kranke u. alte Pers." über dem Eingang zur Kammer 11
Foto: Thomas Keplinger
Beschriftung "Für Kranke" im entsprechenden Raum des Flachbunkers im Arne-Carlsson-Park
Foto: Thomas Keplinger

So konnten sich etwa Scharlach, Diphterie, Masern, Kinderlähmung oder Keuchhusten ungebremst ausbreiten. Trotzdem für kranke Menschen eine eigene etwas größere Aufenthaltskammer vorgesehen war, um die Gesunden nicht zu gefährden, setzten sich die Keime im ganzen Bunker fest. Aus diesem Grund wurde ab April 1943 beschlossen, die Fußböden nach jeder Benutzung zu desinfizieren, um des Problems Herr zu werden.

Erste-Hilfe-Markierung im Flachbunker im Arne-Carlsson-Park
Foto: Thomas Keplinger

Trotz des in einer der größeren Kammern eingerichteten Sanitätsraums war es kaum möglich, Virusinfektionen im Bunker zu behandeln. Die dort tätigen Laienhelferinnen, Angehörigen der nationalsozialistischen Volkswohlfahrt oder Schwestern vom Roten Kreuz versorgten kleinere Wunden und beruhigten nervöse Menschen mittels einer überschaubaren Grundausstattung an Medikamenten. Erst im letzten Kriegsjahr wurden – zumindest in norddeutschen Bunkern, eventuell auch in Wien und anderen Städten – Ärzte zum Dienst im Bunker verpflichtet.

Aufschrift über dem Abgang in einen Bunker
Foto: Thomas Keplinger

Während des Zweiten Weltkriegs war es noch nachvollziehbar, wenn Menschen in der Angst, während eines Bombardements ihr Leben zu verlieren, trotz Krankheit in die Bunker liefen und sich somit sicher sein konnten, andere anzustecken. In unserer Gegenwart jedoch ist es nicht nachvollziehbar, wenn sich Menschen mit anderen treffen und Covid-19 verbreiten, das sie – meist ohne es zu wissen – in oder an sich tragen.

War die Krankheit im Bunker noch das kleinere Übel und das größere der Tod durch Bombenwirkung, so ist im Jahr 2020 die Krankheit das größere Übel. Das Corona-Virus ist potenziell todbringend, vor allem für alte und vorerkrankte Menschen.

Liebe Leserinnen und Leser, bleiben Sie bitte deshalb zuhause und verzichten Sie auf unnötige persönliche Kontakte. Sie könnten der Überträger des Virus sein! (Thomas Keplinger, 18.3.2020)

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