Bis zu 90 Prozent der Regenwaldrodungen weltweit sind illegal. Das freigesetzte CO2 trägt erheblich zum Klimawandel bei.

Foto: LULA SAMPAIO

Für Topher White war es ein Erlebnis aus dem Jahr 2012, das ihm einprägsam die Problematik illegaler Rodungen von Regenwäldern vor Augen führte: Auf einer Wanderung durch die Urwälder Indonesiens heulte plötzlich in der Nähe eine Motorsäge auf. Seine Wandergruppe lief auf das Geräusch zu. Der Holzdieb, der sich anschickte, einen alten Teakbaum zu fällen, ergriff die Flucht.

White ließ diese Erfahrung nicht mehr los. Er dachte darüber nach, wie er mit seinem Erfahrungsschatz als Physiker und Technologie-Entwickler zum Schutz der Wälder beitragen könne. Was, wenn man Mittel finden könnte, um Holzdiebe noch viel öfter auf frischer Tat zu ertappen? Was, wenn man den Urwald großflächig auf die verräterischen Motorsägengeräusche abhören könnte? Laut Schätzungen sind immerhin 50 bis 90 Prozent des weltweiten Regenwaldeinschlags illegal – das in weiterer Folge freigesetzte CO2 ist ein wesentlicher Beitrag zur Erderwärmung.

Abgehörte Bäume

Zurück an seinem Wohnort San Francisco machte sich White an die Arbeit. Er entwickelte eine Überwachungstechnologie für den Regenwald und gründete auch die NGO Rainforest Connection, die ihren Einsatz managt und Projekte mit lokalen Behörden und indigenen Gruppen umsetzt, die sich aktiv um den Schutz der Wälder kümmern. "Wenn man diesen Menschen helfen kann, ihren Job effektiver auszuführen, kann man die Klimawandelgleichung wirklich beeinflussen", sagt White zu National Geographic, wo er als "Emerging Explorer" vor den Vorhang geholt wird.

White verbindet in seiner Entwicklung alte Technologie mit neuen Artificial-Intelligence(AI)-Ansätzen. Er sammelt alte Handys, versieht sie mit maßgefertigten Solarladegeräten und bringt sie als automatische "Abhörstationen" an Bäumen der schutzbedürftigen Wälder an. Die Geräte schicken einen kontinuierlichen Audiostream an eine Cloud, wo dieser mithilfe von AI-Algorithmen analysiert und auf bestimmte Geräuschmuster abgeklopft wird – etwa Motorsägen-, Lkw- oder Straßenbaugeräusche. Verdächtige Ereignisse werden automatisch an die lokalen Partner weitergemeldet, "damit sie unmittelbar vor Ort eingreifen und illegale Aktivitäten sofort unterbinden können", erklärt White.

Eine Station überwacht 1,5 Quadratkilometer

In den vergangenen Jahren baute Whites Rainforest Connection das Überwachungsnetzwerk beständig aus. Eine Station kann gut eineinhalb Quadratkilometer (eine Quadratmeile) abdecken. In flachen Waldgebieten sind selbst weit entfernte Empfangsstationen noch gut erreichbar. 3000 Quadratkilometer in neun Ländern von Brasilien bis zu den Philippinen, von Südafrika bis Rumänien werden bis jetzt abgedeckt – eine Zahl, die sich bald noch verdoppeln soll. Gleichzeitig konnte die Entwicklung mit einer Reihe von Auszeichnungen Aufmerksamkeit erregen. Zuletzt erhielt White 2019 etwa den "Ehrenpreis für Unternehmergeist" des Uhrenherstellers Rolex.

Die Jagd nach Holzdieben ist aber nicht der einzige Nutzen der Live-Schaltungen aus dem Urwald. Denn die AI-Algorithmen können nicht nur Motorsägen, sondern auch die Gesänge seltener Vogelarten und vielfältige weitere Wildtiergeräusche extrahieren. Die Audiostreams werden zur digitalen Bibliothek, aus der Forscher Rückschlüsse über Tierbestand und Biodiversität ziehen können. Selbst Spezies, die nicht laut brüllen, hinterlassen verwertbare Spuren in den Daten, erklärt White: "Jaguare machen vielleicht nicht immer Geräusche, aber die Vögel und die anderen Tiere um sie herum tun es." Diesem Gedanken folgend, könnte die Anwendung auch zu einer neuen Spielwiese zur Erforschung tierischer Kommunikation werden. (Alois Pumhösel, 17.3.2020)