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Ellbogenkick statt Handschlag: Die Corona-Krise ist im US-Wahlkampf angekommen.
Foto: REUTERS/Kevin Lamarque

Eine Fernsehdebatte ohne Publikum, das gab es schon lange nicht mehr, wenn sich die Anwärter für die Präsidentschaftskandidatur ihrer Partei, seien es Demokraten oder Republikaner, in den USA zu einem Wortduell trafen. Das untypische Ambiente war denn auch die eigentliche Nachricht, als Joe Biden und Bernie Sanders am Sonntagabend zu einem Streitgespräch antraten.

Zu einem Streitgespräch, das den Namen tatsächlich verdiente, weil eben nicht wie zuvor ein halbes Dutzend Wettbewerber um Aufmerksamkeit rangelte, was es oft unmöglich machte, einen Gedanken vernünftig zu Ende zu führen. Schauplatz: ein CNN-Studio in Washington, drei Moderatoren, keine Zuschauerreihen. Nichts mit der großen Bühne in Phoenix, der Millionenstadt in Arizona, wo die Diskussion ursprünglich stattfinden sollte. Die Corona-Krise lässt das große Format nicht mehr zu.

Wie mit der Pandemie umgehen?

Um den Umgang mit der Pandemie geht es denn auch, in aller Ausführlichkeit, bevor irgendein anderes Thema zur Sprache kommt. Klar scheint: Es ist Biden, der politisch von der Krise profitiert. Im Unterschied zu Sanders, dem Senator aus Vermont verfügt er, acht Jahre lang Vizepräsident an der Seite Barack Obamas (2009–2017), tatsächlich über Regierungserfahrung. Und die versucht er in die Waagschale zu werfen.

Für Gesellschaftsexperimente, wie sie dem linken Senator Sanders vorschweben, gibt er zu verstehen, sei eine solche Ausnahmesituation der falsche Zeitpunkt. "Es ist, als würde unser Land von einem äußeren Feind angegriffen. Dies ist ein Krieg", skizziert Biden die Lage.

Jetzt müsse man den Leuten klarmachen, dass man angesichts akuter Gefahr die passenden Antworten finde. Heute, nicht morgen, wenn das Parlament vielleicht über die radikalen Reformvorschläge seines Kontrahenten berate. Heute müsse der Staat garantieren, dass er für medizinische Untersuchungen zahle – auch dann, wenn jemand nicht krankenversichert sei. Heute müsse er sicherstellen, dass jeder, der sich krank fühle, einen Arzt aufsuche, um sich dann womöglich auf das Virus untersuchen zu lassen, statt eine Krankheit aus Angst vor hohen Behandlungskosten zu verschleppen. Alles Weitere, sagt Biden, werde sich nach der Krise finden.

Schulterschluss und Kritik

Sanders übt, bevor er zur Kritik an seinem Widersacher ansetzt, den Schulterschluss mit ihm. Den Schulterschluss gegen Donald Trump. "Das Erste, was wir zu tun haben, ob ich nun Präsident werde oder nicht, ist, diese Präsidentschaft abzuschalten", betont er. Trump untergrabe die Autorität von Ärzten und Wissenschaftern. Er schwafle, statt sachlich zu informieren, und stifte dadurch nur Verwirrung.

Falls Biden das Kandidatenrennen gewinnt, macht Sanders schon jetzt deutlich, wird er ihm im Zweikampf gegen den Amtsinhaber natürlich den Rücken stärken.

Dann folgt die Gardinenpredigt, pointierte Kritik am Rivalen, dem er vorwirft, seinen Wahlkampf maßgeblich durch Spenden von Milliardären zu finanzieren, weshalb er logischerweise auch deren Interessen vertreten müsse. Dass die USA so schlecht gewappnet seien, um der Ausbreitung des Corona-Erregers zu begegnen, so Sanders, habe mit Konstruktionsfehlern eines extrem teuren und zugleich extrem ineffizienten Gesundheitswesens zu tun.

"Wie haben kein System"

"Einer der Gründe, warum wir nicht vorbereitet sind, ist der: Wir haben kein System." Was man stattdessen habe, seien tausende verschiedene Varianten privater Krankenversicherung. "Das ist nicht einmal in guten Jahren ein System, das allen Menschen eine Gesundheitsfürsorge garantiert, nicht einmal dann, wenn wir es nicht mit einer Epidemie zu tun haben."

Streit um das richtige Gesundheitssystem zwischen Biden und Sanders (v.l i.).
Foto: EPA/GABRIELLA DEMCZUK FOR CNN

Umso dringlicher, mahnt der 78-Jährige, müsse man sich mit seinem Konzept beschäftigen, "Medicare for All", einer ausschließlich aus Steuern finanzierten Alternative. Biden hält entgegen, dass der italienische Gesundheitssektor ja schon nach diesem Prinzip funktioniere und die Corona-Krise die Schwächen Italiens aufzeige. Folglich könne Sanders' Ansatz für Amerika keine realistische Lösung sein.

Welche Frau als Kandidatin für die Vizepräsidentschaft?

Am Rande, es geht fast unter, sorgt Obamas Vize noch für etwas, was in normalen Zeiten als Paukenschlag gelten würde. Ein Präsident Biden, stellt er in Aussicht, werde zum ersten Mal eine afroamerikanische Juristin für den Supreme Court nominieren. Zuvor werde er auf alle Fälle mit einer Frau als Kandidatin für die Vizepräsidentschaft ins Wahlfinale gegen Trump ziehen. In dem Punkt hält sich Sanders vergleichsweise bedeckt. "Aller Wahrscheinlichkeit nach", sagt er, werde er es ähnlich handhaben. Garantieren will er an diesem Abend allerdings nichts. (Frank Herrmann aus Washington, 16.3.2020)