Der Großteil der in Kostenki 11 gefundenen Knochen stammt von Mammuts.

Foto: Alex Pryor

Insgesamt 51 Unterkiefer und 64 Schädel der Eiszeitriesen zählten die Archäologen in dieser Ausgrabungsstätte.

Foto: Alex Pryor

Das Leben während der letzten Kaltzeit war kein Zuckerschlecken. Kurze und kühle Sommer, eisige Winter und ein karges Nahrungsangebot bestimmten den Alltag der Menschen. Kreisförmige Anordnungen von Mammutknochen geben neue Einblicke in das Leben unserer Vorfahren in dieser Zeit, berichten Archäologen der britischen Universität von Exeter im Fachblatt "Antiquity".

Insgesamt sind etwa 70 kreisförmige Strukturen aus der letzten Kaltzeit aus der Ukraine und der Osteuropäische Ebene in Russland bekannt. Eine bedeutende Fundstelle namens Kostenki 11 befindet sich nahe des Dorfs Kostenki, etwa 500 Kilometer südlich von Moskau. Hier identifizierten Forscher Tierknochen als Überreste von jahrtausendealten temporären Behausungen: Die Wände waren meist aus Sedimentgestein und den Knochen von Mammuts gefertigt, vereinzelt auch aus anderen Tierknochen.

Uralte Knochenbauten

Um diese Kreisbauten finden sich fast immer große Gruben, die als Beleg für die Lagerung von Nahrung oder Brennmaterial gedeutet werden. Andere Vermutungen besagen, dass die Gruben zur Müllentsorgung dienten oder entstanden, als der Löss, ein kalkhaltiges Sediment, für den Bau der Konstruktionen abgetragen wurde.

In der aktuellen Studie stellt ein Team um den Archäologen Alexander Pryor nun einen der Knochenkreise von Kostenki 11 detailliert vor. Die Wissenschafter entdeckten dort 51 Mammut-Unterkieferknochen und 64 Schädel der Eiszeitgiganten, zudem eine geringere Zahl von Rentier- Pferde-, Wolfs-, Rot- und Polarfuchsknochen. Manche der Überreste seien mehr als 20.000 Jahre alt, schreiben die Wissenschafter. Damit beherberge Kostenki 11 die ältesten Knochenbauten in der Region.

Die Forscher entdeckten allerdings auch Überreste von verkohlten Knochen, Holz und weichen, nicht holzigen Pflanzenresten innerhalb einer kreisförmigen Struktur mit ihrem Durchmesser von 12,5 Metern – ein Hinweis darauf, dass die Menschen damals sowohl Pflanzen wie auch Knochen als Brennstoff nutzten. Die Autoren spekulieren, dass unsere Vorfahren die Pflanzen auch für Gifte, Medikamente, Schnüre oder Stoffe verwendet haben könnten.

Günstiger Standort?

"Kostenki 11 ist ein seltenes Beispiel für paläolithische Jäger und Sammler, die in dieser rauen Umgebung überlebten", sagte Studienleiter Alexander Pryor. Womöglich habe es hier eine eisfreie Wasserquelle gegeben, die sowohl Mammuts als auch Menschen anzog. "Diese Funde werfen ein neues Licht auf den Zweck dieser mysteriösen Stätten", so Pryor weiter: "Die Archäologie zeigt uns mehr darüber, wie unsere Vorfahren in dieser überaus kalten und feindlichen Umgebung auf dem Höhepunkt der letzten Kaltzeit überlebt haben."

Jene herrschte im nördlichen Europa von vor 75.000 bis vor 18.000 Jahren und erreichte ihren Höhepunkt vor 23.000 bis 18.000 Jahren. Während Menschen allerdings viele Regionen Europas wegen des Mangels an Beutetieren und Nahrungspflanzen verließen, entstand die Anlage von Kostenki 11 genau in dieser Zeit. Pryor: "Die Gruppen hier hatten es geschafft, sich anzupassen und Nahrung, Unterkunft und Wasser zu finden." Nach einiger Zeit wurde allerdings auch Kostenki 11 aufgegeben – vermutlich, als das Klima immer kälter und unwirtlicher wurde.

Temporärer Unterschlupf

Die Archäologen entdeckten auch etwa 300 kleine Feuersteine und Feuersteinspäne, die nur wenige Millimeter groß sind. Trotz ihrer geringen Größe geben sie einen weiteren Hinweis auf das Leben in der Kaltzeit. Dabei handelt es sich vermutlich um Bruchstücke, die entstanden, als die einstigen Bewohner Steine zu scharfen Werkzeugen schlugen, mit denen sie Tiere erlegten oder deren Häute bearbeiteten.

Die Anzahl der Feuersteine ist allerdings angesichts der Größe der Anlage und vor allem im Vergleich zu anderen Ausgrabungsstätten erstaunlich gering. Für die Wissenschafter deutet dies darauf hin, dass die Knochenkreise von Kostenki 11 nicht wie bisher angenommen die Überreste von dauerhaften Behausungen darstellten. Dagegen spreche auch, dass der große Durchmesser des Knochenkreises einen Innenraum markiere, der schwer zu überdachen gewesen wäre. Wahrscheinlicher wäre, dass es sich um eine temporäre Behausung handelte. (red, APA, 21.3.2020)