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Shopping wird auch in Frankreich zur Geduldsprobe.

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Die Grenze zwischen Frankreich und Deutschland ist zu.

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Gewonnen hat die Stimmenthaltung. Weniger als die Hälfte der 24 Millionen Wahlberechtigten, nämlich 45 Prozent, haben sich am Sonntag an die Wahlurnen bemüht. Vor allem jüngere Wähler blieben zu mehr als zwei Dritteln zu Hause. Und die Älteren votierten tendenziell konservativ: Die amtierenden Bürgermeister wurden vielenorts bestätigt oder gehen mit einem Vorsprung in die Stichwahl. So auch die Sozialistin Anne Hidalgo: Mit 30 Prozent Stimmen hat sie die besten Chancen gegen die rechte Herausforderin Rachida Dati (22 Prozent). Die bisherige Macron-Ministerin Anne Buzy scheint mit 17 Prozent der Stimmen abgeschlagen.

Die Macronisten schnitten generell schlecht ab – wegen der Unpopularität des Staatspräsidenten, aber auch seiner mangelnden Verwurzelung in der Lokalpolitik. In wichtigen Städte wie Lyon, Bordeaux oder Straßburg schnitten die Kandidaten seiner Partei La République en Marche (LRM) schlecht ab. Gute Wahlchancen haben in diesen Großstädten hingegen grüne Kandidaten. Sie profitieren von einem generellen Ökotrend. Nur in Paris schnitten sie schlechter ab als erwartet.

Durchwachsene Bilanz für Le Pen

Das rechtspopulistische Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen erzielte einige Erfolge in bereits früher eroberten Städten wie Fréjus und Béziers, neu dazu auch in Perpignan. In Calais, wo die Migrationsfrage alles überschattete, musste sich der RN-Kandidat Marc de Fleurian, ein Fremdenlegionär, mit dem dritten Platz begnügen; die konservative Bürgermeisterin Natacha Bouchart wurde mit gut 50 Prozent der Stimmen wiedergewählt.

Das Wahlresultat in Calais zeugt ebenfalls vom relativ guten Abschneiden der gaullistischen "Républicains". Ihr Erfolg hält sich allerdings in Grenzen, wenn man bedenkt, dass viele Politologen ein massives Überlaufen der Macron-Wähler zur bürgerlichen Rechten vorhergesagt haben. Macrons überlegtes Handeln in der Corona-Krise dürften den Schaden für das Präsidentenlager begrenzt haben.

Offen ist der Wahlausgang in der Banlieue-Vorstadt Garges-lès-Gonesse, die wegen der Beteiligung des angeblichen Islamisten Samy Debah – wie ihn seine Gegner titulieren – ins Scheinwerferlicht gerückt ist. Der umstrittene Kandidat schaffte es mit 34,7 Prozent problemlos in die Stichwahl, wo er sich mit dem Konservativen Benoît Jimenez (42,4 Prozent) ein Duell liefern wird.

Zweiter Wahlgang fraglich

Oder würde: Die Abhaltung des zweiten Wahlgangs am kommenden Sonntag scheint immer fraglicher. Fast alle Parteien plädierten am Montag für eine Verschiebung. Doch was geschähe in dem Fall mit den Resultaten des ersten Wahlgangs? Die Frage hatte sich in Frankreich bisher noch nie gestellt. Der Politologe Pascal Perrineau meint, die bereits im ersten Wahlgang entschiedenen Urnengänge sollten Bestand haben, also nicht mehr wiederholt werden. Nur die offenen Rennen – die große Mehrheit – sollten voraussichtlich im Herbst bei einer Stichwahl entschieden werden.

Dies hieße allerdings, dass die Gemeindewahlen nicht überall am gleichen Tag entschieden würden – was verfassungsrechtlich und demokratiepolitisch heikel wäre. Ebenso fragwürdig scheint es indessen, bereits gewählte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister noch einmal antreten zu lassen. Welche Lösung auch gewählt wird, scheint sie immer noch sinnvoller als die Fortsetzung des Wahlprozesses. Die Franzosen interessieren sich angesichts der einschneidenden Änderungen im Alltag kaum mehr für die Subtilitäten lokalpolitischer Stichentscheide. Sie haben den Kopf natürlich ganz woanders. (Stefan Brändle, 16.3.2020)