Der wegen Kindesmissbrauchs gesuchte Paul Schäfer konnte dank zahlreicher Förderer aus Deutschland flüchten.

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Diese TV-Dokumentation von Annette Baumeister und Wilfried Huismann zählt ohne Frage zum Essenziellsten, was Fernsehen als Bildungsmedium zu leisten imstande ist.

Dreieinhalb Stunden lang wird man in Colonia Dignidad – Aus dem Innern einer deutschen Sekte anhand der Geschichte einer deutschen Auswanderersekte in den Kern alles Bösen hinuntergezogen, das sich bekanntlich oft mit guten Taten und Werken tarnt. Unter der Leitung von Paul Schäfer, einem selbsternannten "Prediger", der nach dem Zweiten Weltkrieg unbetreute Kinder, Jugendliche und auch Familien um sich scharte, übersiedelte die 300 Mitglieder umfassende Gruppe 1961 in die chilenische Einöde, in der von den bald wie Sklaven behandelten Kolonisten ein blondes deutsches Musterdorf aus dem Boden gestampft wurde.

Der wegen Kindesmissbrauchs gesuchte Paul Schäfer konnte damals dank zahlreicher Förderer aus Deutschland flüchten. In Chile allerdings begann sich in der räumlichen Abgeschlossenheit und angesichts der psychischen Abhängigkeit seiner Jünger (Frauen waren "Dreck") das Böse in ihm als einzigem Gott erst richtig zu entfalten. Völlig zerstörte Überlebende berichten in dieser an die Nieren gehenden Doku davon und wie sich Schäfer gern in seinem Weltreich filmen ließ.

Bis 2005 standen systematischer Missbrauch von Buben, Folter, die Kollaboration mit dem Pinochet-Regime und sogar die Produktion von Giftgas auch unter dem Schutz deutscher Politiker auf der Tagesordnung. Ein harter Brocken. (Christian Schachinger, 16.3.2020)