Auch die Exekutive hat durch die Covid-19-Gesetze mehr Befugnisse. Die Zivilgesellschaft will beobachten.

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Das Coronavirus sei "die größte Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg", sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Deshalb treten nun Maßnahmen in Kraft, die in Friedenszeiten in Europa bisher kaum vorstellbar waren: Man darf seine Wohnung nur mehr mit triftigem Grund verlassen, soll Krankenhäuser und Pflegeheime nicht betreten und seine Kinder nicht mehr in die Schule schicken. Wie ist all das mit unseren Grundrechten vereinbar? Rechtlich seien die Maßnahmen durch die Verfassung gedeckt, erklärte Verfassungsrechtler Heinz Mayer am Sonntag im STANDARD. Die Maßnahmen müssen "verhältnismäßig" sein, das Coronavirus ist eine entsprechend große Bedrohung. Dementsprechend herrscht laut Umfragen eine hohe Zustimmung in der Bevölkerung für die Reaktionen auf diese Krise.

Doch was passiert mit der Gesellschaft, wenn sie längere Zeit mit diesen Beschränkungen leben muss? "All jene, die Interesse an Kontroll- und Überwachungspolitik haben, haben jetzt weitgehend freie Hand", warnt eine neue Initiative namens Coview-19. Sie will Personen aus dem Sozial-, Gesundheits-, Kunst- und Unibereich zusammenbringen, um die "temporären, enormen Einschränkungen von Grundrechten kritisch zu begleiten". Im Gespräch mit dem STANDARD betont die Initiative, deren Gründer anonym bleiben möchten, die "außerordentliche Situation" zu verstehen: "Auch Politiker brauchen Zeit."

Benachteiligte Gruppen

Sie warnen allerdings davor, dass einige Gruppen nicht beachtet werden: etwa prekär Beschäftigte oder Flüchtlinge. Man sehe nun, welche Maßnahmen rasch möglich seien, deshalb könne man auch Forderungen stellen, die bisher nicht denkbar wären.

Kritische Worte gab es auch vom Österreichischen Presserat, weil die Regierung den Zugang von Journalisten zu ihren Terminen stark eingeschränkt hat. Bei Pressekonferenzen sind künftig nur noch ORF und APA dabei, andere Medien können Fragen vorab an die APA übermitteln. Das Bundeskanzleramt reagierte nun: Es soll Technik für Fragen per Video installiert werden.

Wien am Montagnachmittag.
DER STANDARD

Überwachung im Kampf gegen das Virus

Ebenso Bedenken gibt es in Bezug auf den Datenschutz: So greifen im Kampf gegen das Virus mehrere Länder, darunter China und Südkorea, zur Smartphone-Überwachung des Standorts: Anhand von Smartphone-Daten wird so ein möglicher Kontakt zu Infizierten ermittelt. Auch in Europa, beispielsweise in Italien und in Belgien, werden derartige Maßnahmen erwogen. Die Grundrechts-NGO Epicenter Works sieht grundsätzlich eine solche Idee nur als sinnvoll, wenn sie zielführend ist: "Wenn sie nicht funktioniert oder Panik verbreitet oder gar Menschen in falscher Sicherheit wiegt, halten wir das nicht für sinnvoll", sagt Pressesprecherin Iwona Laub. Außerdem müsste sie datenschutzrechtskonform sein.

Amnesty International Österreich ruft alle Regierungen auf, auch in der Corona-Krise Menschenrechte in den Mittelpunkt ihres Handelns zu stellen. Menschenrechte seien genau für Zeiten wie diese gemacht – Zeiten, in denen wir besonders aufeinander schauen und aufeinander Rücksicht nehmen müssen. Die NGO will die neuen Gesetze genau analysieren. (Muzayen Al-Youssef, Laurin Lorenz, Fabian Schmid, 17.3.2020)