Der Maulwurf lässt sich nur äußerst selten an der Erdoberfläche blicken. Er hat auch viel zu tun – neben dem Buddeln muss er auch seinen enormen Appetit stillen.
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Jedes Kind kennt den Maulwurf – wenn auch selten aus eigener Anschauung. Gewöhnlich bekommen wir den Tunnelbauer selbst nicht zu Gesicht, sondern nur seine Aushubhügel, mit denen er sich bei vielen Gartenbesitzern und Landwirten unbeliebt macht. Er ist zwar in Europa noch häufig, zeigt aber einen rückläufigen Bestand. Grund genug, ihn als "Säugetier des Jahres 2020" in den Blickpunkt zu rücken.

Alles am Maulwurf ist an seine unterirdische Lebensweise angepasst: Da sind zuerst einmal seine zu Grabschaufeln umgestalteten Vorderextremitäten, mit denen er seine Gänge anlegt. Die dazugehörigen Muskeln machen mehr als die Hälfte seiner gesamten Muskelmasse aus. Sein kurzes schwarzes Fell weist keinen Haarstrich auf, ist also in alle Richtungen biegsam und erlaubt ihm so, sich in seinem Bau ebenso gut vorwärts wie rückwärts zu bewegen.

Seine stecknadelkopfgroßen Augen eignen sich nur zur Unterscheidung von hell und dunkel, aber dafür ist sein Tastsinn hervorragend: So hat er Tasthaare nicht nur an der rüsselartigen Schnauze, sondern auch am Schwanz. Zusätzlich ist die lange Nase auch noch mit einem maulwurfspezifischen Tastsinn ausgestattet, dem Eimer’schen Organ, mit dem er selbst so zarte Bewegungen wie die Muskelkontraktionen von Beutetieren wahrnehmen kann.

Jagdgang und Schlafkammer

Anders als grabende Nagetiere schiebt der Maulwurf beim Anlegen seiner Gänge die Erde in schwimmstoßähnlichen Bewegungen vor sich her. Dabei kann er ein Vielfaches seines Körpergewichts bewegen. So baut er ausgedehnte Tunnelsysteme, die teilweise über Generationen genutzt werden. Auf diese Art können Gänge mit einer Gesamtlänge von bis zu mehreren Hundert Metern entstehen. Je nach Bodenbeschaffenheit und Jahreszeit gräbt der Maulwurf in etwa in zehn bis 40 Zentimetern Tiefe sogenannte Jagdgänge, die er regelmäßig nach Fressbarem absucht. Außerdem legt er Schlafkammern und alle paar Meter senkrechte Lüftungsschächte an.

Im Zuge all dieser Tätigkeiten entstehen die bekannten Hügel. Allerdings ist nicht jeder Erdhügel dem Maulwurf zuzuordnen. "Die Schermaus wirft ähnliche Hügel auf, die aber flacher sind und nicht so kreisrund wie die des Maulwurfs", sagt Klaus Hackländer vom Department für Integrative Biologie und Biodiversitätsforschung der Universität für Bodenkultur in Wien. Die Unterscheidung ist für Gärtner und Landwirte insofern interessant, als die Schermaus an den Pflanzenwurzeln frisst, was der Maulwurf als reiner Fleischfresser nicht tut.

Unersättlicher Allesfresser

Seine Jagdgänge kontrolliert der Maulwurf laufend, denn das rund fünf bis zwölf Zentimeter große und durchschnittlich 100 Gramm schwere Tier hat einen enormen Appetit: Täglich nimmt es Nahrung in der Größenordnung seines eigenen Körpergewichts zu sich – im Verlauf eines Jahres können das bis zu 30 Kilogramm werden. Wieso so viel? "Kleine Tiere brauchen generell mehr Nahrung als große", sagt Hackländer, "aber zusätzlich ist die grabende Lebensweise des Maulwurfs wie ein Hochleistungssport."

Verzehrt wird alles Tierische, das in die Gänge fällt: am liebsten Regenwürmer, aber auch Insekten und deren Larven, Spinnentiere, Schnecken und kleine Säugetiere. Da er keinen Winterschlaf hält, muss er auch in der kalten Jahreszeit ausreichend fressen. Zu diesem Zweck legt er sich gern einen Vorrat an Regenwürmern an. Dazu beißt er sie ins Kopfende, was sie zwar nicht umbringt, wohl aber bewegungsunfähig macht und lange frisch hält.

Oberirdisch trifft man den Maulwurf am ehesten nachts und während der Paarungszeit ab Anfang April an: Dann wandern die Männchen häufig über Land in die Territorien der Weibchen. Diese sitzen einstweilen in ihren Schlafnestern und geben ein ständiges Glucksen von sich, mit dem sie die Männchen zu sich locken. Nach einer Tragzeit von vier Wochen bringen die Weibchen in einer Nestkammer ihres Baues meist vier bis fünf nackte, blinde Junge zur Welt, die sie fünf Wochen lang in einer extra angelegten, mit Pflanzenmaterial ausgepolsterten Kammer säugen.

Schwierige Bedingungen

Nach etwa zwei Monaten sind die Jungen weitgehend selbstständig und müssen das Revier der Mutter verlassen. In diesem Lebensabschnitt können sie noch nicht allzu gut graben und fallen daher häufig Greifvögeln, Eulen, Mardern oder Füchsen zum Opfer. Wenn sie überleben, werden sie mit circa zehn Monaten geschlechtsreif. Ein langes Leben steht ihnen gewöhnlich nicht bevor: Die meisten Tiere werden nicht älter als zwei bis drei Jahre.

An sich kommt der Maulwurf im ganzen gemäßigten Bereich Europas vor, wobei er Laub- und Mischwälder ebenso bewohnt wie Kulturland. Aus den landwirtschaftlichen Gunstlagen Österreichs ist er allerdings so gut wie verschwunden. Das ist vor allem auf die Intensivierung der Landwirtschaft zurückzuführen: Beim Pflügen der Anbauflächen kommen oft Maulwurfjungen um. Gleichzeitig wird das noch vorhandene Grünland intensiver gedüngt und mit Pflanzenschutzmitteln behandelt, was sich ebenfalls negativ auswirkt. Genaue Zahlen über den Populationsrückgang stehen nicht zur Verfügung, denn bisher gibt es keine flächendeckende Erfassung der Art in Österreich. "Überhaupt ist der Maulwurf eine sehr schlecht erforschte Art", meint Hackländer, was wohl dessen unterirdischer Lebensweise geschuldet sein dürfte.

Der Name "Maulwurf" ist übrigens kein Hinweis darauf, dass er die Erde mit der Schnauze aufwirft: "Maul" kommt vom althochdeutschen "Molte", was so viel wie Erde bedeutet – er ist also vielmehr ein Erdwerfer. (Susanne Strnadl, 22.3.2020)