Im Gymnasium in der Wiener Rahlgasse waren am Montag mehr Lehrerinnen und Lehrer als Schüler.

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An den Volksschulen, AHS-Unterstufen, Neuen Mittelschulen (NMS) und Sonderschulen, wo Betreuung angeboten wird, ist man laut Bildungsministerium davon ausgegangen, dass nur rund fünf bis sieben Prozent der Schüler anwesend waren, berichtet die APA.

Und: Je älter die Schülerinnen und Schüler, desto geringer war die Anwesenheit: Im Regelfall wurden mehr Kinder an Volksschulen gebracht als in Klassen Sekundarstufe I, also den Unterstufen. An AHS-Unterstufen wiederum war etwas mehr los als an NMS.

Die meisten Schulen waren hingegen für einen höheren Ansturm gerüstet. Lehrkräfte über 60 Jahren, mit Vorerkrankungen und jene mit Pflege- oder Betreuungspflichten sollten laut einem Schreiben des Bildungsministeriums von zu Hause aus arbeiten.

Der STANDARD sprach mit einer Schülerin, einer Schulleiterin Lehrern und Eltern, wie sie den ersten Tag ohne regulären Unterricht überstanden haben.

Schülerin: Die Angst vor der Langeweile zu Hause

Am Freitag hat sich Marlene bereits vom Klassenzimmer verabschiedet und in den Heimunterricht begeben. "Theoretisch hätte ich noch in die Schule gehen können, aber das wollte ich nicht mehr unbedingt", sagt die 13-jährige Gymnasiastin, die glücklich ist, dass sie die Betreuung in der Schule nicht mehr in Anspruch nehmen muss. Obwohl sie anfangs "nicht so wirklich" Angst vor dem Virus gehabt hätte, habe sich das mittlerweile verändert: "Die letzten Tage ist es schon ein bisschen gruselig geworden."

Mehr Angst hat sie vor der drohenden Langeweile. "Es ist Tag zwei, und mir ist langweilig", sagt sie. Pläne hat sie bereits gemacht: mehr Geige üben oder Sportübungen in der Wohnung. Wie Ferien fühle sich der fehlende Unterricht nicht an. Am Freitag habe sie Arbeitsblätter erhalten. Manche kamen per Mail hinzu. In einigen Fächern gab es Aufträge, Inhalte zusammenzufassen, in Nebenfächern werde aber auch neuer Stoff gemacht: "Es wurde angekündigt, dass überprüft wird, ob wir den Stoff selbstständig gelernt haben, wenn wir wieder Schule haben."

"Ich glaube, dass wir viel Stress haben werden, wenn die Schule wieder losgeht. Wir müssen ja unseren Stoff durchbringen."

Freundinnen trifft sie jedenfalls nicht mehr, Kontakt halte sie übers Telefon.

Lehrerin: Zwei gut betreute Kinder in der Volksschule

Zwei Kinder standen am Montag vor einer Privatschule in Wien, ein Volks- und ein Vorschulkind, berichtet eine anwesende Lehrerin der Schule. Die Kinder werden von vier Erwachsenen betreut – man habe ursprünglich mit 15 Kindern gerechnet, über das Wochenende kamen immer mehr Absagen. Die beiden sind Kinder von medizinischem Personal. "Der Stundenplan wird normal abgehalten, jetzt ist gerade Pause, und sie sind im Garten – mit ausreichend Abstand voneinander", sagt die Lehrerin und lacht.

Alle anderen Kinder üben von zu Hause, die Moodle-Plattform, die für die älteren Schüler einer Unterstufe verwendet wird, sei für die Kleinen übernommen werden. "E-Learning ist in der Volksschule unüblich. Viele können ja noch nicht auf einer Tastatur schreiben", erzählt die Deutschlehrerin: "Für meine Kinder habe ich ein Fotoalbum erstellt, so sehen sie die Buchstaben in der Schrift, in der sie diese kennen", sagt sie. Abgeben müssen die Schüler ihre Übungen nicht. Trotzdem: Von 45 Kindern, die von ihr unterrichtet werden, gab es am Montagmorgen bereits zehn Abgaben. "Viele sind motiviert." Neuer Stoff wird nicht gelernt. Als Hausaufgabe haben ihre Kinder den Auftrag erhalten, sich zu überlegen, wie ein Gruß ohne Berührung aussehen könnte, und ein Video zu machen.

Lehrer: Aufgabenwechsel in der Unterstufe

Der Unterricht sei eigentlich schon in der vergangenen Woche nicht mehr möglich gewesen, erzählt ein Lehrer, der an einer Neuen Mittelschule in einem Wiener Außenbezirk unterrichtet. Die Hauptthemen seien das Coronavirus und die Maßnahmen dagegen gewesen. Man habe die Jugendlichen beruhigt und informiert. An seiner Schule sind am Montag nur vier Kinder zum Standort gekommen, um sich ihre Arbeitsmaterialien abzuholen.

Die Hauptaufgabe für den Lehrer sei erst einmal gewesen, alle Eltern und Jugendlichen seiner Klasse durchzurufen und abzuklären, ob es allen gut gehe und sie Betreuung hätten. "Bei uns haben viele ältere Geschwister, die sich jetzt um die jüngeren kümmern", sagt er. Der direkte Kontakt würde den Erziehungsberechtigten und den Jugendlichen Sicherheit geben. Aufgabenblätter wurden in den Hauptfächern Deutsch, Englisch und Mathe verteilt. Sie werden nach den Ferien von den Klassenlehrern gefeedbackt. In Nebenfächern sollen die Schüler Präsentationen vorbereiten.

Kontakt würde per E-Mail, aber auch alle paar Tage telefonisch gehalten. "Ein digitales Klassenzimmer würde bei uns nicht funktionieren. Viele der Eltern und Schülern sind nicht so onlineaffin. Wir sind bodenständig", sagt der Englisch- und Biolehrer.

Schulleiterin: Die Chefin hält die Stellung

Im Gymnasium in der Wiener Rahlgasse standen am Montag fünf Lehrkräfte bereit, Schülerinnen und Schüler zu betreuen. Am Wochenende zuvor hatte man damit gerechnet, dass aus den 17 Unterstufenklassen nur wenige in die Schule kommen. "Es ist kein Kind zur Betreuung gekommen", berichtet Schulleiterin Ilse Rollett dem STANDARD am Montag. Vereinzelt hätten jüngere Schülerinnen und Schüler noch Schulsachen abgeholt. Für die restliche Woche erwartet Rollett ein ähnliches Bild und dass "keine Kinder bei uns betreut werden müssen". Für den Fall der Fälle stünde weiter ein Journaldienst zur Verfügung. Rollett werde in der Schule bleiben, ein bis zwei Kolleginnen und Kollegen werden sie unterstützen. Wer diese sind? "Wir haben eine Liste ausgehängt, wo man sich eintragen konnte", erklärt Rollett. Lehrende über 60 Jahre, Schwangere und jene mit Betreuungspflichten würden ausgenommen.

Die Maßnahmen hält Rollett für sinnvoll. Die vergangene Woche hingegen war ein Kraftakt, erzählt die Direktorin. Lernmaterialien wurden organisiert, Eltern und Schüler bestmöglich informiert. Das sei nicht ganz einfach gewesen. Rollett selbst habe sich die Informationen über die Medien zusammengesammelt. "Wir haben das gut hinbekommen, ohne große Aufregung", sagt sie.

Vater: Clevere Schülerin mit Papa als Lehrer

Eigentlich wollte Familie Spari ihre "Home-School" zunächst auch für zwei befreundete Kinder öffnen. Doch daraus wurde angesichts der verschärften Ausgangsbeschränkungen vorerst nichts. Also hat Lillian (10) ihren Ausweich-Schultisch ganz allein am schönsten Platz im Wohnzimmer aufgeschlagen. Pünktlich zu Schulbeginn hat sie dort auch Platz genommen, erzählt ihr Vater Gerhard Spari, der neben seiner Arbeit im Homeoffice die Unterrichtsstunden am Vormittag übernommen hat. Die Tochter hat dann auch ganz ambitioniert begonnen – und für die Recherche zur Personenbeschreibung gleich mal ihre Freundin angerufen. "Wie soll man auch sonst wissen, wie die Freundin aussieht", sagt Herr Spari mit einem Augenzwinkern.

Was ihn mehr irritiert hat: Das ständige Fragen: "Wie schreibt man das?", "Papa, bitte bring mir eine Schere!", "Ist schon der nächste Arbeitsauftrag gekommen?". Von der Schule wird man nämlich via E-Mail und Online-Lernplattform informiert. Das klappt bisher ziemlich gut.

Tag eins war dann aber schneller vorbei als gedacht. Lillian bekam Kopfweh und leichtes Fieber. Den STANDARD für Kinder hat sie trotzdem noch gelesen und den Vater darauf hingewiesen, dass sie laut diesen Informationen jetzt unbedingt fernsehen soll. (Vanessa Gaigg, Oona Kroisleitner, Karin Riss, 16.3.2020)