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Selbst Führungskräfte, die bereits Erfahrung bei der Führung von virtuellen Teams gesammelt haben, stehen jetzt vor einer neuen Situation, sagt Executive Leadership Coach Susanna Wieseneder.

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Teams müssen virtuell geführt werden. Wer dies bis dato noch vermieden hat, weil er oder sie Kontrollverlust über die Mitarbeiter fürchtete, ist jetzt mehrfach gefordert: Mitarbeiter, die nicht mehr im Großraumbüro nebeneinander sitzen, müssen geführt werden. Dazu kommen noch persönliche Sorgen. Selbst Führungskräfte, die bereits Erfahrung bei der Führung von virtuellen Teams gesammelt haben, stehen vor einer neuen Situation, sagt Executive Leadership Coach Susanna Wieseneder. "Mitarbeiter sitzen nicht in Büros in Graz oder München und können ohne Ablenkung arbeiten, sondern sind zu Hause mit Kindern, Partnern und Schwiegermüttern. Für viele ist das ein neuer Arbeitsplatz, und dazu kommen die Sorgen um den Arbeitsplatz oder wie man alles unter einen Hut bringt."

Der persönliche Kontakt entfällt und somit auch der Raum, in dem Unausgesprochenes leichter wahrgenommen werden kann. Für Wieseneder ist das ein Krisenmanagement auf virtueller Ebene. In der Krise versuche man schnell Inhalte zu vermitteln und lege wenig Augenmerk darauf, in welcher Situation sich das Gegenüber gerade befindet, aber genau das brauche es jetzt besonders. "Als Führungskraft muss ich mehr darauf achten, wie es meinen Mitarbeitern geht. Das kann in Form von Clearing-Meetings sein, indem man sich nur darüber austauscht, wie es einem geht oder welche Sorgen man hat. Oder man startet in eine Besprechung damit, wie der Einzelne gerade arbeitet und welche Herausforderungen es dabei gibt, bevor man andere Themen bespricht."

Georg Breiner, internationaler Führungskräfte-Coach, sieht jetzt bei Chefinnen und Chefs besonders empathische Fähigkeiten gefordert. Man müsse sich in die Lebenssituation der Mitarbeiter hineinversetzen. "Ein Teil der Führungsaufgaben werden organisatorische und Verteilungstätigkeiten sein. Man wird gefordert sein, die Ressourcen der Mitarbeiter auch hinsichtlich deren Verpflichtung während der Arbeitszeit anzupassen. Kinder müssen betreut werden oder Eltern versorgt werden."

Know your team

Die neue Arbeitssituation macht es für Wieseneder auch notwendig, das eigene Team neu zu bewerten. Führungskräfte sollten sich die Persönlichkeiten genau ansehen, denn nicht jeder ist für Telearbeit von Haus aus geschaffen. Einige brauchen den sozialen Austausch oder haben Schwierigkeiten, in die Selbstverantwortung zu kommen. "Das werden Mitarbeiter sein, die mir beim Telearbeiten abdriften werden, wenn ich nicht gegensteuere." Mitarbeitern kein Vertrauen entgegenzubringen, sprich davon auszugehen, dass sie ihre Arbeit ohne Anwesenheit des Chefs nicht erledigen, sei nicht angebracht, so Breiner, denn Menschen wollen gerade jetzt ihren Beitrag leisten. Gleichzeitig rät er Führungskräften von einem Leistungscamp dringend ab, "Druck rausnehmen" laute jetzt die Devise. Führungskräfte werden rückblickend nicht daran gemessen werden, ob sie in dieser Situation die Zahlen gebracht haben, sondern wie sie ihre Teams und die Zusammenarbeit gemanagt haben.

Rahmenbedingungen schaffen

Damit Teleworking unter dieser Belastung gut gelingen kann, empfiehlt Wieseneder Führungskräften, Strukturen vorzugeben: "Man kann auch weiterhin Bürozeiten einhalten, mit Telefon- oder Videomeetings nicht vor acht Uhr beginnen und auf Pünktlichkeit bei diesen Meetings achten." Man müsse auch weg von einer Arbeitszeitkontrolle und hin zu einer Ergebniskontrolle. Dabei wird vereinbart, wann etwas zu welcher Qualität geliefert werden soll. Zudem sollten sich Mitarbeiter nicht unnötig mit technischen Herausforderungen herumschlagen müssen. "Es ist Führungsaufgabe, dafür zu sorgen, dass Mitarbeiter Plattformen zur Verfügung haben, damit sie von zu Hause aus ihre Arbeit machen können", sagt Breiner. Zudem appellieren beide Coaches, man solle sich entscheiden, über welchen Kanal man kommunizieren will. Es sei nicht förderlich, wenn Mitarbeiter E-Mail, Whatsapp oder eine Collaborationssoftware für Informationen überwachen müssen. Man könne ruhig auch mal das Handy zur Hand nehmen und einfach anrufen, das stärke das Vertrauen. Zudem seien Fürsorge und Empathie jetzt zentrale Führungsaufgabe.

Das Wichtigste auf einen Blick

  • Bemühen Sie sich um eine technische Lösung, wenn Mitarbeiter dabei Hilfe brauchen
  • Einigen Sie sich, über welche Kommunikationskanäle Sie kommunizieren wollen, weniger ist mehr
  • Geben Sie Struktur vor
  • Schaffen Sie Raum für persönlichen Austausch
  • Vergessen Sie nicht auf die persönliche Situation Ihrer Mitarbeiter
  • Nehmen Sie Druck raus (Stefanie Leschnik, 17.3.2020)