Von Neuseeland nach Österreich zurückzukommen ähnelt einer Odyssee.

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Auckland – Es gibt vermutlich keinen sichereren Ort auf der Welt, wenn Österreich von einer Viruspandemie heimgesucht wird, als Neuseeland. Und es gibt vermutlich keinen blöderen, an dem man sich aufhalten kann, wenn der Außenminister auffordert, "nach Österreich zurückzukehren, solange noch Rückreisemöglichkeiten bestehen", als die Südspitze von Neuseeland.

Nun ist man ja nicht an das andere Ende unseres Planeten geflogen, um die Nachrichtenlage in der Heimat in Echtzeit mitzuverfolgen – was aufgrund einer zwölfstündigen Zeitverschiebung und eines Datennetzes, das in den neuseeländischen Alpen nicht gerade dem Silicon Valley entspricht, auch gar nicht möglich wäre. Und doch wandelt sich mit jedem weiteren Land, das seine Grenzen schließt, das Gefühl des Reisenden von "Glück gehabt, dass wir dem Wahnsinn entkommen sind" langsam zu "Hoffentlich kommen wir in absehbarer Zeit auch wieder in diesen Wahnsinn zurück". Die erste Konsequenz: Der australische Teil der Reiseplanung wird schweren Herzens über Bord geworfen. Die Aussage der Außenministeriumshotline: Bloß keine Zeit verlieren. Registrierung der eigenen Reise, um von den Behörden in der Heimat nicht vergessen zu werden.

Abenteuerlich

Die zweite Konsequenz: ungeplanterweise in gut vier Tagen knapp 1.500 Kilometer auf neuseeländischen Küsten- und Alpenstraßen zurücklegen, um zu den großen Flughäfen auf der Nordinsel zu gelangen – eine Fahrleistung, die Gerhard Berger das Wasser in die Augen treiben würde. Zwischendurch allabendlich mittels Motel-WLAN mit den Freunden daheim und auf Reisen Kontakt halten. Einer bucht sich aus Südafrika bereits mehrere Flüge, um zumindest einen nach Hause zu erreichen, wird von Turkish Airlines aber passbedingt als Risikoreisender abgelehnt. Der andere versucht angesichts der neu verhängten australischen Bestimmungen, nun über Bangkok nach Wien zu kommen.

Man selbst hat sich mittlerweile schon damit abgefunden, dass es in den kommenden Wochen Couchsurfen statt Kitesurfen und Regen statt Regenwald heißen wird. Unterdessen verkündet einem Singapore Airlines mittels eines dürren Einzeilers, dass der ursprünglich von Australien aus anvisierte Heimflug gecancelt ist. Die Folgen muss man sich selbst überlegen.

Buchen, buchen, buchen

Die dritte Konsequenz: nach 57 Minuten in der Warteschleife Umbuchung das gecancelten Fluges auf Swiss via Zürich nach Wien. Die Star-Alliance-Mitarbeiterin ist ganz überrascht von der Frage, ob nicht die Flugverbindungen zwischen der Schweiz und Österreich demnächst gestrichen werden. Fünf Stunden nach der Umbuchung wird der Teilflug Zürich–Wien annulliert. Und während man die Abende damit zubringt, in verschiedenen Warteschleifen Optionen zu besprechen und ein aktuelles Bild der Lage zu bekommen, spielt man sich im Kopf bereits durch, wie glaubhaft man einem neuseeländischen Farmer eine Bewerbung als versierter Schafscherer unterjubeln könnte, um in den kommenden Monaten sein Auskommen in Down Under zu finden.

Die vierte Konsequenz: Man stellt fest, dass praktisch der einzige Flug, der einen noch aus Neuseeland nach Wien zurückbringt, jener der Thai Airways über Bangkok ist. Die Aussage der Außenministeriumshotline: "Wenn Sie die Chance haben, noch einen Flug zu buchen, der nicht über Spanien, die Niederlande, die Schweiz, Frankreich, Großbritannien, Dänemark, China, den Iran oder Südkorea geht: Buchen, buchen, buchen." Wir leisten Folge.

Ungeplante Weltreise

Die fünfte Konsequenz: Man stellt fest, dass der Freund, den man eben noch bedauert hatte, weil er eventuell nicht aus Australien nach Hause zurückkommt, einem den letzten Platz im Bangkok-Flieger am nächsten Tag weggeschnappt hat. Also wird es der Thai-Airways-Flug am nächsten Tag, Landung am 19. März frühmorgens. Währenddessen trudeln die Nachrichten ein, dass Thailand wegen des Coronavirus bereits seine Schulen schließt. Und während man sich beim Scannen der Nachrichtenlage wundert, dass österreichische Touristen aus dem ach so entfernten Venedig mittels Sonderflieger nach Hause zurückgeholt werden, hofft man, dass Thailand zumindest für Touristen den Umstieg offen hält und man so wenige Stunden, bevor die AUA den gesamten Flugbetrieb einstellt, am Flughafen Schwechat landen kann.

Die sechste Konsequenz: Die geplante Weltreise wird spannender, als man das eigentlich geplant hatte. Abenteuerreise wider Willen quasi. (Martin Fichter-Wöß, APA, 17.3.2020)