Wer dieser Tage nach China reist, muss sich darauf gefasst machen, die kommenden zwei Wochen in einem Quarantänehotel zu verbringen. Seit Anfang dieser Woche müssen alle ausländischen Staatsbürger, die das Land betreten, in eine zweiwöchige Isolation, auf eigene Kosten. Im Moment gilt diese Regelung zwar nur für Peking, weitere Städte dürften aber bald folgen. So will man verhindern, dass das Virus nochmals vom Ausland nach China eingeschleppt wird. Tatsächlich waren in den vergangenen Tagen erstmals mehr Infektionen über Einreisende aus dem Ausland gemeldet worden als über Ansteckungen im Inland.

Abstand halten

Tatsächlich kehrt langsam etwas Normalität in die großen Städte der Ostküste zurück. Zaghaft öffnen Restaurants wieder, und Menschen trauen sich auf die Straße. Am Montag eröffnen in Qinghai, einer wirtschaftlich unbedeutenden Provinz an der Grenze zu Tibet, wieder die Schulen. In Sichuan und Yunnan soll der Tourismus nach und nach wieder in Gang kommen. Damit einher geht eine schrittweise Normalisierung der Wirtschaft: Apple gab am Freitag bekannt, seine 42 Geschäfte auf dem Festland wieder zu öffnen – und verkündete zeitgleich, alle Filialen im Rest der Welt zu schließen. Auch die Kaffeehauskette Starbucks öffnet wieder. Die Stadtregierung in Peking verordnete allerdings allen Restaurants einen Sicherheitsabstand von mindestens einem Meter.

Parole: Die Krise ist gemeistert

Die Regierung in Peking wird nicht müde zu betonen: Das Schlimmste ist überwunden. Die Botschaft lautet zudem: China hat die Krise gemeistert und kann jetzt anderen Ländern mit Rat und Tat beistehen. Über die Verfehlungen in den ersten Jännerwochen, die das Desaster erst ermöglicht haben, schweigt man sich aus. Angeblich, heißt es nun immer öfter, hätten amerikanische Soldaten das Virus im Herbst bei einer Militärübung nach Wuhan eingeschleppt.

Auch in der Werbung bestimmen Schutzmasken das Bild in Guangzhou.
Foto: EPA/Plavevski

Gleichzeitig wird aber auch deutlich, welchen massiven Schaden das Virus im Land hinterlassen hat. Das zeigen nicht nur die radikalen Einreisebestimmungen. Am Montag wurden erstmals Zahlen veröffentlicht: Die Industrieproduktion fiel in den ersten beiden Monaten dieses Jahres um 13,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die Verkäufe im Einzelhandel gingen um 20 Prozent zurück. Rund fünf Millionen Menschen haben ihren Arbeitsplatz verloren.

Stotternde Wirtschaft

"Die Wirtschaft stottert nach wie vor", sagt Jörg Wuttke, Vorsitzender der europäischen Handelskammer in Peking. "Alle versuchen Lieferketten wieder in den Griff zu kommen. Das funktioniert aber regional sehr unterschiedlich. In Schanghai sieht es gut aus, der Containerhafen läuft fast wieder auf Normalbetrieb. Auch die Automobilbranche produziert mittlerweile wieder fast auf Vorkrisenniveau."

Ein Mitarbeiter des Informationsschalters am Flughafen von Peking.
Foto: AFP/Asfouri

Schlechter sehe es bei kleineren und mittleren Betrieben aus: Offiziell sind 60 Prozent wieder am Arbeiten. Vielen aber fehlen noch immer die Arbeitskräfte, und ihre Cashreserven gehen zur Neige. Besonders der Servicesektor leidet massiv. Der unabhängige Ökonom Hu Xingdou geht deshalb von einer Pleitewelle aus, die in den kommenden Monaten kleinere Unternehmen erfassen kann. Die Regierung versucht mit verschiedenen Maßnahmen gegenzusteuern: So können Steuern und Sozialbeiträge gestundet werden. Betroffene Unternehmen sollen spezielle Kredite bekommen können. "Das alles wird helfen, aber ich halte es für extrem unwahrscheinlich, das Wachstumsziel von fünf Prozent dieses Jahr aufrechterhalten zu können", so Hu. "Erst im zweiten Quartal wird die Regierung die meisten Beschränkungen aufheben und die Wirtschaft sich wieder normalisieren."

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In Wuhan, dem Zentrum der Epidemie, laufen die Produktionsstraßen der Autoindustrie wieder.
Foto: Reuters

Erholung bleibt aus

Klar ist auch: Die erhoffte V-förmige Erholung der Wirtschaft wird ausbleiben. Noch ist gar nicht klar, was der Nachfrage-Einbruch im Rest der Welt für China bedeutet. Die Krise in den USA und Europa ist noch nicht berücksichtigt, und sie wird die chinesische Wirtschaft noch lange beschäftigen.

Ungewiss ist auch, ob das Virus wirklich dauerhaft besiegt ist. Schätzungen zufolge sind 100 Millionen Wanderarbeiter noch immer in ihren Heimatdörfern und nicht an ihre Arbeitsplätze zurückgekehrt. Dies birgt die Gefahr, dass das Virus erneut ausbricht. (Philipp Mattheis, 17.3.2020)