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Die WHO rät bei der Selbstmedikation zum Umstieg auf Paracetamol. Sie will erst hundertprozentig sichergehen, ob an den Gerüchten zu Ibuprofen etwas dran ist.

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Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rät Menschen bei Verdacht auf eine Infektion mit dem neuen Coronavirus davon ab, ohne ärztlichen Rat das Medikament Ibuprofen einzunehmen. Es gebe zwar keine neuen Studien, aus denen hervorgehe, dass Ibuprofen mit höher Sterblichkeit verbunden sei, sagte WHO-Sprecher Christian Lindmeier. Aber die Experten prüfen derzeit die Lage. "Wir raten, im Verdachtsfall Paracetamol und nicht Ibuprofen einzunehmen", so Lindmeier. Das beziehe sich ausschließlich auf alle, die Ibuprofen ohne ärztlichen Rat einnehmen.

"Das Virus ist neu, aber andere Corona- und Erkältungsviren kennt man bereits, und da gibt es keine Hinweise, dass Ibuprofen die Erkrankung verschlechtern würde", sagte Christian Drosten, Chefvirologe der Berliner Charité, zu diesem Thema in seinem täglichen Podcast mit dem NDR. Wäre dem so, würde man bereits davon wissen, da Ibuprofen ein sehr breit verfügbares Medikament sei, so Drosten.

Keine Evidenz

Auch Markus Müller, Rektor der Med-Uni Wien, und Pharmakologe Michael Freissmuth erklärten am Wochenende, dass es keine wissenschaftlichen Belege für eine negative Auswirkung der Einnahme von nichtsteroidalen Antirheumatika wie Ibuprofen bei Covid-19-Patienten oder -Infizierten gibt.

Zuvor waren Meldungen aufgetaucht, die so einen Zusammenhang nahelegten. Zudem erregte der französische Gesundheitsminister am Wochenende mit einem Tweet, in dem er vor Entzündungshemmern wie Ibuprofen warnte, Aufsehen. Der nationale Gesundheitsdirektor Jérôme Salomon hatte sich ähnlich geäußert und von der Einnahme nichtsteroidaler Antirheumatika abgeraten. Zu dieser Wirkstoffgruppe zählen neben Ibuprofen auch Acetylsalicylsäure (ASS), also Aspirin und Diclofenac.

Blutdruckmedikamente

Auch Patienten mit Bluthochdruck und Herzinsuffizienz wurden durch diese Nachricht am Wochenende in Sorge versetzt. Denn in den Meldungen war nicht nur von nichtsteroidalen Antirheumatika wie Ibuprofen die Rede, sondern auch von einem Zusammenhang zwischen Covid-19-Erkrankungen und der Einnahme bestimmter Blutdruckmedikamente – sogenannter ACE-Hemmer und Angiotensin-Rezeptor-Blocker.

Dazu äußerte sich nun auch die Österreichische Kardiologische Gesellschaft (ÖKG): "Wir empfehlen, eine bestehende Medikation mit ACE-Hemmern und Angiotensin-Rezeptor-Blockern unbedingt beizubehalten. Ein Absetzen der Medikamente oder ein Wechsel auf andere Präparate ist nicht indiziert und sollte wegen des Risikos eines akuten Herzinfarkts oder Schlaganfalls unbedingt vermieden werden", so ÖKG-Präsident Peter Siostrzonek.

"Bei den Blutdruckmitteln kann man überhaupt keine Aussage treffen, ob sie einen Effekt bei Covid-19 haben", sagte Freissmuth. Es gebe sowohl Meinungen, wonach sie schützen können, als auch das Gegenteil. Wissenschaftliche Daten lägen überhaupt keine vor.

Möglicher Hinweis

Der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) schloss am Wochenende zumindest nicht aus, dass insbesondere ASS, aber auch Ibuprofen bei Covid-19 nicht hilfreich sein könnten. "Ibuprofen hemmt die Blutgerinnung, das wäre ein möglicher Hinweis", erläutert der Virologe. Damit steige das Risiko für innere Blutungen. "Bei Paracetamol ist das nicht der Fall." Wissenschaftliche Belege für diese These hat aber auch Schmidt-Chanastin nicht.

In Summe scheinen Experten uneins über die prinzipielle Möglichkeit, dass die genannten Medikamente Nebenwirkungen haben. Eindeutige Belege gibt es jedenfalls nicht. Bis sich das ändert, geht die WHO auf Nummer sicher und rät all jenen, die auf Ibuprofen ohne ärztlichen Rat zurückgreifen und am Coronavirus erkrankt sind, zum Umstieg auf ein anderes Medikament. (APA, red, 17.3.2020)