Feldspital des Bundesheers für Vertriebene in Albanien bei der Operation Athum/Alba 1999.

Foto: Bundesheer

Wien – Die Sanitätsversorgung war einmal der Stolz des österreichischen Heeres. Mit diesem Stolz wurde der Standort des Heeresspitals in Wien-Stammersdorf nach dem Medizin-Reformer Gerard Van Swieten (1700—1772) benannt. Mit diesem Stolz beteiligte sich das Bundesheer 1960 mit einem Sanitätskontingent am UN-Einsatz im Kongo (Opération des Nations unies au Congo, Onuc). Mit diesem Stolz entsendete es 1999 ein Feldspital nach Albanien (Austrian Humanitarian Contingent in Albania), als im benachbarten Kosovo der Bürgerkrieg begann.

Aber ganz ohne Stolz vermeldet es nun, dass man bei der derzeitigen Corona-Krise leider keinerlei Einsatzmöglichkeiten für die Sanität sieht. Denn das Sanitätswesen des Bundesheers ist nur noch darauf ausgelegt, die Stellungsuntersuchungen zu machen und allenfalls kleinere Verletzungen von Soldaten zu behandeln.

Eingeschränktes medizinisches Spectrum

"Die gesamte Kompetenz, die seinerzeit mühevoll aufgebaut worden ist, hat sich verlaufen", erklärt Oberst a. D. Volker Zimmermann, der 1999 beim Albanien-Einsatz dabei war, im Gespräch mit dem STANDARD. Damals konnte das Bundesheer bei der Versorgung der Kosovo-Flüchtlinge das gesamte medizinische Spektrum abdecken, es wurden in 80 Tagen des Einsatzes 23.402 Behandlungen durchgeführt.

Dazumals hatte das Bundesheer zwei Sanitätsregimenter mit jeweils drei Feldambulanzen. Zimmermann rechnet vor, dass mit dieser Kapazität in der aktuellen Krise bis zu 3.000 Spitalsbetten für leichte und mittlere Fälle praktisch auf Knopfdruck bereitstehen könnten.

Aber das war politisch nicht gewollt.

Feldspitäler verscherbelt, statt Reservespitäler aufzubauen

Die gesamte Ausstattung dieser Ambulanzen wurde eingespart, sprich: an andere Armeen verkauft, Teile sollen noch heute im Nachbarland Ungarn zur vollsten Zufriedenheit der dortigen Militärs verfügbar sein. Aber eben nicht für Österreich.

Auch die Heeresspitäler wurden geschrumpft. Der Rechnungshof hat nämlich im Jahr 2009 festgestellt, dass diese Spitäler nur zu fünf Prozent ausgelastet waren. Dem hätte man nach internationalem Vorbild begegnen können, indem man diese Krankenanstalten ausbaut und aufwertet. In den USA oder in Deutschland bieten etwa die militärischen Krankenhäuser Spitzenmedizin an, führende Politiker lassen sich dort öffentlichkeitswirksam behandeln. Und wenn ein ziviles Krankenhaus aus irgendeinem Grund ausfällt, kann ein Feldspital innerhalb weniger Tage einen Notbetrieb bereitstellen.

Zu teuer, befand man in Österreich. Die Kritik des Rechnungshofs an der mangelnden Effizienz der Sanität wurde unter dem damaligen sozialdemokratischen Minister Norbert Darabos dazu genutzt, die Bettenstationen zu schließen.

Keine Behandlung von Schusswunden

Schon damals warnten die Heeresmediziner (die vielfach dem Milizstand angehörten, also eine eigene zivile Arzttätigkeit ausübten) vor einem Kollaps des Sanitätswesens: "Schon wenn es bei einem Einsatz wie dem im Kosovo dazu komme, dass ein Soldat eine Schusswunde erleidet, würden die Grenzen der Leistungsfähigkeit des Sanitätsdienstes rasch erreicht", zitierte der STANDARD im Jahr 2008 den damaligen Präsidenten der Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie, Manfred Strickner.

Seither sind die Kompetenzen weiter gesunken – wo keine entsprechenden Abteilungen vorhanden sind, werden auch keine Ärzte ausgebildet. Kaum ein Arzt im Dienst des Bundesheers hat persönliche Erfahrungen mit der Versorgung von Schussverletzungen – dazu müssten die Militärärzte etwa in den USA oder Südafrika in Kliniken mit Opfern von Schießereien ausgebildet werden müssen, aber das erscheint den militärischen Planern zu aufwendig. "Eine endlose Kette von nichtgenutzten Chancen", klagt Zimmermann – behandeln könne man nur noch "Kinkerlitzchen". (Conrad Seidl, 17.3.2020)