Bildungsminister Heinz Faßmann wird die Matura auf jeden Fall verschieben.

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Seit Montag müssen alle Schülerinnen und Schüler zu Hause bleiben, ausgenommen sind nur jene, deren Eltern unbedingt Betreuung für ihre Kinder brauchen, weil sie selbst arbeiten müssen. Am Dienstag, dem zweiten Tag dieser Maßnahme, zeigt sich, dass in Wien nur etwa fünf Prozent schulische Aufsicht in Anspruch nehmen müssen, in den Bundesländern im Schnitt zwei Prozent. Maturantinnen und Maturanten beschäftigt vor allem die Frage, wann sie denn überhaupt zur Reifeprüfung antreten können. Der geplante Starttermin 5. Mai wird es mit Sicherheit nicht sein, sagt Bildungsminister Heinz Faßmann im STANDARD-Interview. Er plant eine Verschiebung um zumindest zwei Wochen. Der österreichische Genetiker Josef Penninger soll finanziell und logistisch unterstützt werden bei der Suche nach einem Medikament gegen die durch das Coronavirus ausgelöste Covid-19-Krankheit.

STANDARD: Tag zwei der Unterrichtsaussetzung an allen Schulen – wie funktioniert das Coronavirus-bedingte nationale Homeschooling-Projekt? Welche Rückmeldungen haben Sie bekommen?

Faßmann: Wir haben uns systematisch Rückmeldungen eingeholt und rund 300 Lehrerinnen und Lehrer sowie Eltern gefragt – und die Rückmeldungen sind überwiegend sehr positiv. Erstens findet die De-facto-Schulschließung bei den meisten Gruppen eine große Zustimmung. Die Bevölkerung sieht es ein, dass in dieser Situation diese Maßnahme notwendig ist. Das Lernen zu Hause hat gut begonnen, auch die Kommunikation zwischen den Lehrern und den Schülern funktioniert gut. Die Schüler haben genügend Material, manche, glaube ich, mehr als genug. Und wir müssen dann wahrscheinlich eher schauen, wie man einen ganz "normalen" Schulalltag simulieren kann. Das ist eine Aufgabe, die sich noch einspielen wird. Ich plädiere dafür, dass sich so etwas wie ein normaler Alltag einstellen wird. Das heißt, die Lehrer beginnen um acht Uhr, ihre E-Mails durchzuschauen, und die Schüler fangen mit den Übungsbeispielen an und schicken sie den Lehrern, die dann wieder Rückmeldungen geben. Wir werden, glaube ich, Schritt für Schritt zu einer gleichsam neuen Normalität in der Krise kommen.

STANDARD: Stichwort E-Learning – wie viele Schulen sind denn technisch dafür wirklich ausgestattet? Es gab einige Anlaufschwierigkeiten, war zu hören.

Faßmann: Wir hatten einige technische Probleme, aber das betraf eher die Lernplattformen, die an ihre Kapazitätsgrenzen kamen, als es plötzlich so viele Zugriffe gab. Die vielen Zugriffe sind auch wieder ein Hinweis darauf, dass viele – Lehrer und Schüler – entsprechende Endgeräte haben. Das ist mit Sicherheit nicht der Engpass. Wir haben aber auch gesagt, für jene, die wirklich nichts haben, kann man auch ohne weiteres mit Papier und Bleistift arbeiten und dann auch die Resultate abfotografieren und per Handy dem Lehrer zur Korrektur schicken.

STANDARD: Wie viele Kinder bis 14 sind noch in den Schulen, weil sie Betreuung unbedingt brauchen, weil ihre Eltern in infrastrukturkritischen Bereichen arbeiten müssen?

Faßmann: Grob gesagt zwischen zwei und fünf Prozent. Fünf Prozent sind es noch in Wien, was ich erwartet habe. In den eher ländlich strukturierten Bundesländern sind es deutlich weniger.

STANDARD: Was brauchen Eltern, Lehrerinnen und Lehrer sowie die Schülerinnen und Schüler jetzt für die nächsten Wochen am dringendsten laut den Rückmeldungen, die Sie bekommen haben?

Faßmann: Sie brauchen Material, aber das Material ist auf gutem Weg, digital, oder man kann es sich auch von der Schule abholen. Das ist sicher nicht das Problem. Der Ablauf, die Form des Lernens und Arbeitens unter diesen geänderten Bedingungen wird sich einspielen. Und eines sei auch noch gesagt: Dass diese für das österreichische Bildungswesen eigentlich historischen Tage so reibungslos abgelaufen sind, hängt sicherlich mit der Flexibilität der im Bildungssystem beschäftigten Personen zusammen, mit den Lehrerinnen und Lehrern, den Schuldirektoren, letztlich natürlich auch mit den Eltern. Das hat mich schon mit einem gewissen Optimismus erfüllt. Manchmal hat man den Eindruck, das System ist so starr. Aber in der jetzigen Krisensituation war es alles andere als starr, sondern sehr flexibel, und man hat das Beste aus dieser Situation gemacht.

STANDARD: Großes Thema mit großer Wichtigkeit ist die Matura. Sie wurden vom Parlament per Gesetz ermächtigt, den Termin per Verordnung zu verschieben. Die Frage scheint ja nur noch, wie weit nach hinten werden Sie das tun bzw. wann werden Sie den neuen Termin bekanntgeben? Der reguläre Starttermin für die Matura 2020 wäre ja der 5. Mai für Mathematik gewesen.

Faßmann: Ich habe die Verordnungsermächtigung. Ich kann verschieben, ich werde die Matura verschieben. Und ich kann heute die klare Botschaft sagen, die Matura wird frühestens ab 18. Mai stattfinden. Vorher ist die Zeit zum Üben.

STANDARD: Können sich die Schulen denn in irgendeiner Form auch in den Kampf gegen das Coronavirus einklinken?

Faßmann: Zwei konkrete Bereiche können wir aktivieren. Zum einen unsere 500 Schulärzte: Wenn niemand in der Schule ist, dann muss der Schularzt auch nicht in der Schule sein, er oder sie hat gleichsam Kapazitäten frei, und wir werden die Schulärzte den Landessanitätsdirektionen zur weiteren Verwendung übergeben. Die sind qualifiziert, die sind mit Sicherheit in unterschiedlichen Bereichen einsetzbar. Und wir haben auch noch die Schulpsychologen. Auch die werden behilflich sein, sein müssen, weil die Situation in den Familien, wenn es länger dauert, auch eine belastende Situation ist. Hier sind wir in Gespräch mit Rat auf Draht, dass die Schulpsychologen da zusammenarbeiten.

STANDARD: Sie sind auch Wissenschaftsminister. Wir haben einen österreichischen Forscher, Josef Penninger, der mit seiner Firma Apeiron an einem Medikament gegen Covid-19 forscht. Für eine klinische Studie braucht es Geld, viel Geld. Wird sich das Wissenschaftsministerium da finanziell einbringen?

Faßmann: Ich habe mit Josef Penninger darüber gesprochen. Er ist weit, er ist schon in der klinischen Testung, das ist für ein Medikament ein wirklich großer Fortschritt. Wir werden ihn unterstützen. Mit all den Möglichkeiten, die wir haben – finanziell, aber auch logistisch. Schließlich sind Krankenhäuser, Unikliniken auch ein Teil unseres Systems. Wir werden schauen, dass wir diesen von ihm sehr guten Weg realisieren können. Wir brauchen Forschung und Wissenschaft ganz konzentriert, um dieses Virus zu bekämpfen.

STANDARD: Kann man die finanzielle Unterstützung für Penningers Coronavirus-Forschung beziffern?

Faßmann: Es laufen die Gespräche, um präzise zu sagen, was notwendig ist. Aber es wird Geld aus dem Wissenschaftsministerium zur Verfügung gestellt werden. (Lisa Nimmervoll, 17.3.2020)