Das war noch ein Grund zum Feiern für die Tunnelbauer: Im Sommer 2018, als die Tunnelbohrmaschine im Erkundungsstollen für den Brennerbasistunnel die 10.000-Meter-Marke erreichte. Nun macht das Coronavirus mehr Probleme als Freude.

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So amikal und flexibel, wie von ÖBB-Chef Andreas Matthä am Dienstag angekündigt, geht der Bundesbahn-Teilkonzern ÖBB-Infrastruktur mit seinen Geschäftspartnern in der Bauwirtschaft doch nicht um. Noch am Montag verschickte die Staatsbahn Briefe an ihre Auftragnehmer, in denen sie nicht nur an die Arbeitspflicht bei "unaufschiebbaren Berufsarbeiten" erinnerte.

Die Geschäftsbereichsleitung "Projekte Neu-/Ausbau" drohte ihren Geschäftspartnern offen mit Schadenersatzforderungen, falls Leistungen nicht erbracht werden: "Unsere Auftragnehmer schulden uns weiterhin die Leistungen. Derzeit ist durch Corona auch von keiner Sphärenverschiebung auszugehen, daher diese bei Nichterbringung schadenersatzpflichtig werden." Eine Schließung von Baustellen werde ÖBB-seitig derzeit nicht angedacht, "sofern wir nicht durch gegebene Rahmenbedingungen und Umstände (zum Beispiel Quarantäne) dazu veranlasst werden. Wir werden versuchen, unser Land weiter am Laufen zu halten", heißt es in der E-Mail, die dem STANDARD zugespielt wurde.

Brennertunnel gestoppt

Drohungen wie diese wurden dem Vernehmen nach zahlreichen Baufirmen zur Kenntnis gebracht. Es ging dabei nicht nur um Promigroßbaustellen wie den Semmeringbasistunnel.

Vor dem Hintergrund der im Zuge der Corona-Epidemie behördlich verfügten Einstellung der Bauarbeiten am Brennerbasistunnel auf italienischer Seite klingt die ÖBB-Anordnung reichlich brisant. Sie steht auch klar im Widerspruch zu den Aussagen von ÖBB-Chef Matthä. Er kündigte via APA an, dass die Baustellen in Tirol angesichts der besonders strengen Ausgangsbeschränkungen "jetzt runtergefahren" würden. Das werde Geld kosten, brauche Schutz- und Stützmaßnahmen, sei aber unvermeidlich. Auch das Hochfahren nach der Krise werde aufwendig und teuer.

Suche nach "vernünftigen Lösungen"

Bei anderen Tunnelbaustellen wie Koralm oder Semmering werde man von Fall zu Fall mit den Baufirmen "vernünftige Lösungen" suchen, etwa wenn Lieferketten unterbrochen würden oder Bauarbeiter aus dem Ausland nicht mehr anreisen könnten. "Wir werden keine Pönalen ausstellen." Wichtig sei jedoch, die Baustellen im Betrieb fertigzustellen, um gesperrte Gleise zu verhindern. Jedes Bauprojekt werde nun einzeln beurteilt, schob ein ÖBB-Sprecher nach. Im Mittelpunkt stehe die Gesundheit der Menschen. Die ÖBB sei sich ihrer großen volkswirtschaftlichen Verantwortung bewusst. (Luise Ungerboeck, 18.3.2020)