Anleger finden keine Richtung. Auch "sichere Häfen" leiden.

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Ein Tag Rekordverluste, ein Tag Erholung. Dieses Muster war auch heute an den Börsen erkennbar. Nach den Schockwellen vom Montag gab es am Dienstag freundlichere Märkte. In Asien hat es der Topix ins Plus geschafft, in Europa war das Bild am Vormittag noch optimistischer, am Nachmittag gemischt – aber mehrheitlich negativ. Doch die Märkte schafften es, ins Plus zu drehen. Das Euro-Barometer Eurostoxx 50 schloss um mehr als drei Prozent fester, der deutsche Dax schaffte ein Plus von mehr als zwei Prozent, der heimische ATX stellte sich mit einem Minus von einem Prozent jedoch gegen den Trend.

Die US-Börsen haben nach den Rekordverlusten fester eröffnet und das Plus im Verlauf ausgebaut. Der Dow Jones notierte zunächst um zwei Prozent fester und schloss dann im Plus.

Der US-Index befindet sich dennoch auf einem Dreijahrestief. Damit gab der US-Standardwerteindex nun seine Kursgewinne seit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump fast komplett ab. Der breiter gefasst S&P 500 notierte vier Prozent fester (Stand 18 Uhr), die Nasdaq legte mehr als drei Prozent zu.

Ernste Lage

Die Coronavirus-Krise hält die Anleger also weiter im Griff. Die rund um den Globus angekündigten Rettungspakete werden von Marktteilnehmern zwar anerkannt – es zeigt aber auch, wie ernst die Lage geworden ist. Anders als in der Finanzkrise trifft die Corona-Krise die reale Wirtschaft mitten ins Mark. Kaum ein Sektor bleibt verschont. Airlines kämpfen teilweise bereits ums Überleben. Auch im Tourismus und im Einzelhandel herrscht Angst. Die Einnahmen brechen für viele Unternehmer von heute auf morgen weg. Ein Teil dieser Einnahmen ist für immer verloren. Jetzt nicht getrunkene Kaffees bei Starbucks werden nicht nachgeholt. Dieser Teil vom BIP fällt weg.

Selbst wenn Ausgangssperren in einigen Tagen oder Wochen wieder gelockert werden, selbst wenn das Leben wieder "normal" wird, wird es dauern, bis gewohnte Tätigkeiten wieder aufgenommen werden.

Einige Ökonomen sagen, dass die wirtschaftliche Delle, die jetzt entsteht, rasch aufgeholt werden kann, wenn das Virus unter Kontrolle gebracht wird. Die Idee dahinter: Die Leute verschieben ihre Ausgaben von jetzt auf später und bauen daher Reserven auf. Wer jetzt nicht ins Restaurant, Kino oder ins Theater kann, spart Geld. Diese Aktivitäten werden später wieder aufgenommen. Der Wirtschaftskreislauf kommt wieder in Gang, die Delle wird überwunden.

Wenn die Angst bleibt...

Nicht aber, wenn die Angst bleibt, die Coronavirus-Krise lange dauert, die Arbeitslosigkeit steigt und die Menschen Not haben, ihre Rechnungen zu bezahlen. Dann werden Investitionen zurückgehalten, weil nicht mehr leistbar. Das wird die Wirtschaft nachhaltiger belasten.

Wie lange es dauern wird, bis das Coronavirus so weit unter Kontrolle ist, dass wir zu einer Art von Normalität zurückkehren können, weiß niemand. Laufend werden neue Maßnahmen bekannt – Lokalsperrungen, Grenzschließungen, Quarantäneausweitungen. Die Flut von neuen Maßnahmen einerseits und Hilfsmaßnahmen andererseits ergibt ein Bild, dass Anleger im Ungewissen lässt.

Shorten verboten

Um dem Ausverkauf Einhalt zu gebieten, verbieten immer mehr Staaten Wetten auf Kursverluste. Das gab es zuletzt im Zuge der Finanzkrise. Die europäische Wertpapieraufsicht ESMA schreckt bislang vor einem solchen Schritt zurück, ebenso die Deutsche Börse. Die ESMA hat jedoch eine Meldepflicht für Net-Short-Positionen in der Höhe von 0,1 Prozent oder mehr eingeführt. Beim Short Selling leihen sich Investoren Aktien, um diese sofort zu verkaufen. Sie setzen darauf, dass sie sich bis zum Rückgabetermin billiger mit den Papieren eindecken können. Die Differenz ist ihr Gewinn.

Weiter bergab ging es auch am Rohölmarkt, der zusätzlich vom Preiskrieg der wichtigen Förderländer Saudi-Arabien und Russland erschüttert wird. Die Sorte Brent aus der Nordsee war mit 29,31 Dollar je Barrel (159 Liter) zeitweise so billig wie zuletzt vor gut vier Jahren.

Selbst klassische "sichere Häfen" konnten vor der allgemeinen Unsicherheit nicht weiter profitieren. Egal ob US-Bonds, Bundesanleihen oder Gold – alles flog aus den Depots. "Cash is king", sagte Craig Erlam, Analyst des Brokerhauses Oanda. Außerdem müssten Anleger sich von diesen Anlagen trennen, um Verluste in anderen Bereichen auszugleichen, sagte Carlo Alberto De Casa, Chefanalyst vom Broker Activtrades. Gold verbilligte sich um bis zu 3,1 Prozent auf 1.466,33 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm). Gefragt sind Aktien von Pharmafirmen, die sich mit der Bekämpfung des Coronavirus beschäftigen.

Die philippinische Börse hat als erste Börse weltweit wegen der Viruskrise ihre Tore geschlossen. (Bettina Pfluger, 17.3.2020)