Die NSO Group bietet Staaten seit Jahren Spionagesoftware an. Im Hintergrund die Zentrale des Unternehmens in Herzliya nahe Tel Aviv.

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Zu behaupten, dass die israelische NSO Group eine umstrittene Firma ist, wäre wohl noch untertrieben. Das Unternehmen beliefert seit Jahren Staaten mit Spionagesoftware, und gerät dafür regelmäßig in die Kritik. Nun will das Unternehmen die aktuelle Situation zu nutzen, um an seinem Renommee zu arbeiten – und zwar mit einem Rückgriff auf die eigene Kernkompetenz: Das Ausspionieren von Smartphone-Nutzern.

Spyware

Die NSO Group bietet Staaten eine neue Software an, mit der sie die Verbreitung des Coronavirus tracken können. Wie Bloomberg berichtet, analysiere das Tool die vergangenen zwei Wochen an Standortbewegungen der Nutzer, um sie dann mit Standortdaten von Mobilfunkern abzugleichen. Anschließend sollen dann alle User identifiziert werden, die in den vergangenen Wochen mehr als 15 Minuten in der Nähe einer infizierten Person waren.

Die Möglichkeiten der Software gehen insofern weit über das hinaus, was in Österreich mithilfe von A1 ermittelt wird. So betont der österreichische Mobilfunker, dass Standortdaten der eigenen User nur in der Masse, anonymisiert und ohne Möglichkeit zur Rückführung auf einzelne Personen weitergegeben werden. Ziel sei, hier nur die Entwicklung der sozialen Kontakte in Österreich im Lichte der Coronavirus-Auflagen statistisch zu verfolgen. Die NSO-Software soll hingegen sehr wohl einzelne Personen ausmachen.

Hintergrund

Die Rechtsgrundlage für solche Maßnahmen hat die israelische Regierung bereits am Dienstag verabschiedet. So hieß es in ersten Berichten, dass Tools, die eigentlich für Antiterrormaßnahmen gedacht sind, zum Einsatz kommen sollen, um die Schritte von Coronavirus-Infizierten nachzuverfolgen. Angesichts der Beschreibung scheint es wahrscheinlich, dass die Software von NSO zumindest einen Teil dieser Aufgabe übernehmen wird.

Offene Fragen

Wie effektiv solche Maßnahmen sind, muss sich erst zeigen, immerhin sind die von Mobilfunkern gelieferten Daten, die zum Abgleich dienen, relativ ungenau. Gerade im städtischen Gebiet könnte so ein Tool also eine sehr hohe Zahl an gefährdeten Personen ausmachen. Klar ist hingegen, dass solche Schritte äußerst umstritten sind. So warnten Datenschützer in Israel auch umgehend davor, dass es sich dabei um einen nicht akzeptablen Eingriff in die Privatsphäre sämtlicher Bürger handelt. Der Privacy-Kontroverse zum Trotz scheint das Interesse an der NSO-Software aber groß zu sein. So spricht der Bericht davon, dass derzeit bereits rund ein Dutzend Länder die neue Spyware testet.

NSO steht viel in der Kritik

Die NSO Group gehört zu den umstrittensten Firmen der Techbranche – und zwar aus mehreren Gründen. Einerseits wurde offenbar, dass das Unternehmen wenig Probleme damit hat, auch mit undemokratischen Staaten zusammenzuarbeiten. So soll etwa Saudi-Arabien die Software der Firma genutzt haben, um den Journalisten Jamal Khashoggi auszuspionieren, bevor dieser ermordet wurde. Ein Vorwurf, den das Unternehmen allerdings ebenso bestreitet wie den Verdacht, dass Software von NSO zum Hack des Smartphones von Amazon-Gründer Jeff Bezos genutzt wurde.

Klar ist hingegen, dass es das Kerngeschäft von NSO ist, Sicherheitslücken in beliebter Software aufzuspüren und diese gewinnbringend in die eigenen Services zu integrieren, anstatt sie an den Hersteller zu melden. Diese verkauft man dann etwa an Geheimdienste, damit sie Smartphones von Verdächtigen knacken können. Im Vorjahr hatte Facebook Klage gegen NSO eingereicht, da die Firma eine Lücke in Whatsapp gezielt geheim hielt – wodurch weltweit Milliarden Nutzer gefährdet wurden. So zumindest die Sichtweise von Facebook, der sich erst vor kurzem erstinstanzlich ein US-Gericht angeschlossen hat. (Andreas Proschofsky, 18.3.2020)