Money Mark zur Zeit seines Albums "Brand New By Tomorrow". Der Tastenmann der Beastie Boys gehört entdeckt. Punkt.

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Mike D mochte ich von den Beastie Boys immer am wenigsten, aber! Hätte er Anfang der 1990er rechtzeitig gebremst, wäre der Welt ein Gigant entgangen. Michael Louis Diamond hat aber zu spät gebremst und ist in das Gartentor jener Mietvilla gekracht, in der er mit den Beastie Boys Anfang der 1990er in L.A. gewohnt hat.

Es war die Zeit nach dem Flop von Paul's Boutique, dem zweiten Album der drei. Die B-Boys hängten in L.A. rum, kifften redlich und hörten sich durch alte Platten. Unfalllenker D wollte den Vermieter wegen des ramponierten Tors nicht bemühen und beschloss, es aus eigener Kasse reparieren zu lassen.

Tischler und Tastenmann

Von einem Freund bekam er einen Typen empfohlen, der das könne. Dieser stellte sich nicht nur als talentierter Tischler heraus, der das Tor 1a-mäßig instand setzte, er befreundete sich mit den Auftraggebern, und siehe da: Der Typ besaß jede Menge alte Keyboards und Synthesizer. Und: Mark Ramos Nishita, so hieß der Mann an der Tür, konnte sie sogar spielen. Die Beasties verliebten sich in ihn, und nachdem sie beschlossen hatten, ein Album mit richtigen Instrumenten aufzunehmen, kam er ins Spiel. Buchstäblich.

Mark Ramos Nishita ist nicht nur ein Gott an den Tasten, er watet knietief im Funk. Er nannte sich damals nach seiner durstigen Wesensart Liquor Mark, daraus wurde Money Mark. Als solcher war er an den beiden besten BB-Album wesentlich beteiligt, an Check Your Head und Ill Communications, alle Gegenargumente sind zwecklos und hier nicht das Thema.

Der vierte Beastie Boy

Nachdem er als vierter Beastie Boy ein paar Runden um die Welt gedreht hatte, veröffentlichte er ein erstes Album unter eigenem Namen: Marks Keyboard Repair erschien 1995 auf Mo' Wax, das damals eines jener Nester war, aus dem gerade Trip-Hop geschlüpft war. Money Mark passte dort bestens — und überhaupt nicht hin.

Denn anstatt verschlapfte Beats zu produzieren, spielte er auf alten analogen Synthesizern und fetten Keyboards verwegene und sehr verschlafenen Funk-Stücke wie Cry – ein Welthit in einer gerechten Welt.

"Cry" – einer der vielen genialen Schleicher des Money Mark.
Mohac Sozmen

Oft waren es nur Miniaturen, dann wieder richtige Songs, irgendwie passte alles zum Werkstättencharakter, den der Albumtitel versprach. Manchmal ergötzte er sich an einer von ihm mit dem Lötkolben auf Basis von zwei Flaschen Rotwein sabotierten Grundausstattung der Programmierung – und zauberte daraus Phänomenales wie Insects Are All Around Us.

Endlich ein Lied über Crickets.
Oliver Bernal

Andere Tracks trugen verstrahlte Titel wie Spooky oder Ba Ba Ba Boom oder Got My Hand in Your Head. – Kein Wunder, dass er als Trabant bald ein Fixgestirn des Beastie-Universums geworden war.

Hand im Kopf

Nishita ist der Sohn eines von Hawaii kommenden Japaners und einer Latina und im wesentlichen in Los Angeles aufgewachsen. Das im Vorjahr erschienene Beastie-Boys-Buch weist ihn als durchgeknallten Schluckspecht aus. Andererseits als einen, der im Unterschied zum Rest der Band tatsächlich spielen konnte und auf den immer Verlass war.

"Got My Hand in Your Head".
TheBlingblongbling

Interviews zeigen einen sehr normal wirkenden Mann von fast schon typisch asiatischer Bescheidenheit – die Wahrheit, so es die gibt, scheint schwer greifbar zu sein: Belassen wir MM im Mysteriösen.

Marks Keyboard Repair war im Mo'-Wax-Hype ein kleiner Hit, das Album Ende 1995 in vielen Jahreswertungen zu finden. Die LP war leider scheiße gepresst, wer sich dafür interessiert, ist mit der dreifachen 10 Inch auf Grand Royal gut beraten, die knistert nicht wie verrückt. Wobei manches Knistern natürlich beabsichtigt ist und dem Sound seinen Vintage-Charakter verleiht. Der ist aus der Zeit gefallen und als mehr oder weniger skizzenhafter Funk gut beschrieben.

Pop-Appeal

Marks Musik umweht das Alleinunterhalter-Elend ebenso wie der Genieverdacht, denn Keyboard Repair wirkt wie ein Nerd-Brainstorming. Das macht den Charme des Albums aus. Gut, ein paar Tracks weniger hätten der Pressqualität der LP zugearbeitet, aber wie gesagt: 1996 erschien eine dreifache 10 Inch. Drei Jahre später kam mit Push The Button ebenfalls auf Mo Wax so etwas wie die bereinigte Version der Kunst des Mannes an die Öffentlichkeit.

Immer noch ein großes Werk, das vor allem den Pop-Appeal seiner Songs unterstrich. Er selbst sah seine Musik damals als Entspannung zum Touren mit den Beastie Boys, denen er fast 20 Jahre lang treu blieb. Ein Spätwerk unterstreicht Marks phänomenalen Pop-Funk-Riecher. Auf Brand New By Tomorrow (2007) befinden sich Songs, die selbst einem John Lennon gut anstehen würden – und die Mister Money nur so aus dem Ärmel purzeln.

Gefragter Session-Mann

Dieses Talent multipliziert mit der Bekanntheit, die er mit den Beastie Boys erlangt hat, macht den Mann bis heute zu einem gefragten Sessionsmusiker. Seine Tastenarbeit findet sich in Aufnahmen der Jon Spencer Blues Explosion, der Hip-Hopper Blackalicious, Moby, G. Love, Beck oder von Surferboy Jack Johnson, auf dessen Label Money veröffentlicht hat. Etwa das erwähnte Brand New By Tomorrow.

Dessen Cover mit einem Ghettoblaster aus Holz habe ich immer als Reminiszenz an die Beastie Boys gelesen – wie sie sich kennengelernt haben. Wird nicht stimmen, aber hey, who cares? Darauf befinden sich drei meiner Favorits von Mark. Das Lennon-eske Color Of My Blues.

hod hamahat

Oder das genialisch funkige Summer Blue:

Paul

Oder das schon wieder Lennon-eske Pick up The Pieces.

MoneyMarkVEVO

Oft überschneiden sich in seinem Œevre die Fertigungszustände mancher Lieder und tauchen mehr als einmal auf. So war Hand in Your Head von seinem Debüt die Single von Push The Button drei Jahre später. Ein weiterer geheimer Welthit:

cruszynski

Eine seiner Veröffentlichungen heißt Demo or Demolition? Sie zählt nicht zu seinen besten, verdeutlicht aber seinen Arbeitsansatz: mit gutem Gefühl hingeschissen. Seit Jahren ist jetzt nichts Neues von ihm erschienen, als Sideman taucht er aber immer wieder auf.

Versöhnliches zum Schluss

1999 habe ich vor dem Erscheinen von Hello Nasty ein Telefoninterview mit den Beastie Boys gemacht. Das sinnloseste aller Telefoninterviews ever. Das war, als würde man mit einem Montessori-Kindergarten auf Zucker telefonieren. Sinnlos. Keine ernsthafte Antwort, bloß wiederholend "We don't know…" — bis ich dann über Money Mark reden wollte.

Das war ebenfalls nicht wahnsinnig ergiebig, aber sie waren vergleichsweise konstruktiv und überschlugen sich in Lobeshymnen. Vor allem Mike D. Money sei "The Man", sagte er, sie selbst im Vergleich dazu nur unbegabte Trottel. Das hat ihn mir am Ende wieder sympathisch gemacht. (Karl Fluch, 18.3.2020)