Aufnahme des Satelliten Suomi NPP aus dem Jahr 2012 mit ergänzten Landesgrenzen.
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Wien/Pjöngjang – 2012 gingen Satellitenbilder um die Welt, die Nordkorea von einer verblüffenden (und doch niemanden wirklich überraschenden) Seite zeigten. Auf den Nachtaufnahmen erstrahlten die Lichtermeere Südkoreas und Chinas – während sich dazwischen, also in Nordkorea, ein Pool der Finsternis erstreckte. Fast das ganze Staatsgebiet präsentierte sich so dunkel, als wäre es nicht bewohntes Land, sondern das Meer.

Seinerzeit wurden die Bilder noch eher als Kuriosum wahrgenommen. Genau solche Daten hat nun aber der Ökonom Jesus Crespo Cuaresma von der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien herangezogen, um zu Aussagen über die sozialen Verhältnisse in dem abgeschotteten Land zu kommen. Denn über das Einkommens- und Armutsniveau in Nordkorea liegen praktisch keine Informationen und Daten vor.

Die Berechnungsmethode

Der Leiter des Instituts für Makroökonomie an der WU und sein Team haben daher mithilfe von Satellitenbildern, die nachts aufgenommen wurden, Schätzungen erstellt. "Die Lichtintensität, die in den verschiedensten Regionen Nordkoreas via Satelliten gemessen wird, gibt Auskunft über das Armutsniveau. Generell korreliert die Helligkeit eines Gebietes bzw. eines Landes oft mit dem Konsum und den dortigen Produktionsaktivitäten", erklärt der Wissenschafter.

So wurden Schätzungen des nordkoreanischen Bruttoinlandsproduktes möglich. Dieses lässt darauf schließen, dass die Armutsraten deutlich höher liegen, als in früheren Untersuchungen errechnet wurde. Diese hatten den Anteil der unter der Armutsgrenze lebenden Menschen auf annähernd 40 Prozent der Bevölkerung geschätzt. Die WU-Forscher gehen nun davon aus, dass etwa 60 Prozent der Nordkoreaner in absoluter Armut leben, also etwa 15 Millionen Menschen. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen wird in der Studie auf ungefähr 790 Dollar geschätzt – das wäre eines der niedrigsten der Welt.

"Absolute Armut"

Absolute Armut liegt vor, wenn das Haushaltseinkommen unter jenem Niveau liegt, das es einer Person oder Familie möglich macht, die Grundbedürfnisse des Lebens zu befriedigen – diese beinhalten zum Beispiel Nahrung, Unterkunft, eine sichere Trinkwasserversorgung, Bildung und Gesundheitsversorgung.

Die Daten aus hochwertigen Satellitenbildern würden eine sehr unbeständige Einkommenssituation im vergangenen Jahrzehnt in Nordkorea zeigen. "Die Sanktionen, die in den letzten Jahren von Ländern und internationalen Gremien gegen Nordkorea verhängt wurden, könnten einige der Schwankungen des Einkommens- und Armutsniveaus erklären, die im Untersuchungszeitraum zwischen 2012 und 2018 beobachtet wurden", so Crespo Cuaresma. (red, APA, 18. 3. 2020)