Dadurch, dass es im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen "dreimal so viel Platz in mehreren Gebäuden gibt als aktuell benötigt, lassen sich Personen leichter verteilen beziehungsweise isolieren", heißt es vom Schweizer Betreiber ORS.

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Der Fokus der hiesigen Politik beschränkt sich in der Corona-Krise auf zwei wesentliche Punkte. Zum einen auf die Eindämmung des Virus an sich. Zum anderen auf den größtmöglichen Erhalt der Wirtschaft. Völlig außer Acht gelassen werden in der öffentlichen Debatte aber andere Aufgaben, für die sich in der Krisensituation ebenfalls wichtige Fragen stellen – eine davon ist die Versorgung von Geflüchteten.

Dass Zeit in der Corona-Krise eine gewichtige Rolle spielt, ist bekannt. Am Mittwochabend wurde in Salzburg ein erstes Flüchtlingsquartier unter Quarantäne gestellt. Das Innenministerium beantwortet seit eineinhalb Tagen keine der Fragen zu diesem Thema. DER STANDARD hat sich anderweitig umgehört.

Es fängt mit der Frage an, wie künftig mit Asylwerbern an den Grenzen, vor allem an jener zu Italien, verfahren wird. Die Regierung beschloss kürzlich einen Erlass, dass nur Personen aus Italien mit einem ärztlichen Attest in Bezug auf Corona einreisen dürfen. Dass Asylwerber ein solches besitzen, ist eher unwahrscheinlich. Sticht ein fehlendes Attest in der Krise das Asylrecht? Der Menschenrechtsexperte Manfred Nowak muss in Zeiten wie diesen selbst kurz nachdenken. "Wir sehen gerade, wie sehr die Freiheit eingeschränkt werden kann, um die Gesundheit aufrechtzuerhalten", sagt Nowak. Für ihn ist aber klar, dass die Asylbestimmung in dieser Krise nicht außer Kraft gesetzt werden kann. Der Antragsteller müsse sich nur sofort in Quarantäne begeben. Auch die Polizeibehörden betonen die Kooperation mit den Gesundheitsbehörden. Dieselbe Vorsichtsmaßnahme gilt übrigens für die registrierten Österreicher, die in nächster Zeit aus Corona-Risikogebieten nach Österreich zurückkehren.

Neos-Asylsprecherin Stephanie Krisper hat Sorge, dass seitens der Behörden an der Grenze nicht "einheitlich und effizient" vorgegangen wird, und will daher zwei parlamentarische Anfragen diesbezüglich an Innenminister Karl Nehammer und Außenminister Alexander Schallenberg (beide ÖVP) richten. "Es bedarf einer einheitlichen medizinischen Kontrolle bei allen Menschen, die ins Land kommen", sagt Krisper. "Die Möglichkeit der Kontrolle und Quarantäne muss bei allen bestehen – bei den heimkommenden Österreichern genauso wie bei den Asylwerbern."

Seit drei Wochen wird Fieber gemessen

Darüber hinaus stellt sich die Frage nach der Versorgung von Geflüchteten in Zeiten der Corona-Krise. Einerseits von jenen Menschen, die nach Österreich kommen. Andererseits aber auch zum Schutz jener, die sich bereits in Asylzentren aufhalten. Die Recherche führt nach Traiskirchen, dem größten Bundesasylzentrum Österreichs, das außerdem zur Erstaufnahme dient. Um die 500 Menschen sollen sich derzeit in Traiskirchen aufhalten. Konkrete Zahlen ließen sich nicht eruieren. Das Innenministerium beantwortete eine Anfrage dazu nicht. Es kommen aber noch Geflüchtete in Traiskirchen an, ist zu hören. Allerdings auf niedrigem Niveau. Wie viele Menschen in der jüngeren Vergangenheit ankamen und welche Fluchtrouten sie nahmen, lässt das Innenministerium unbeantwortet.

Die Schweizer Firma ORS, die die Bundesasylzentren in Österreich betreibt, erklärt auf Nachfrage des STANDARD, dass "die internen Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus seit Ende Jänner kontinuierlich verschärft wurden. Seit drei Wochen wird in den Zentren Fieber gemessen. Symptome werden permanent von Ärzten überwacht. Asylwerber dürfen nur in Tranchen in die Speisesäle. Die Bewohner werden angehalten, das Areal nur in Ausnahmefällen zu verlassen, am Torposten wird bei der Rückkehr Fieber gemessen", erklärt ORS.

Bund verfügt über Ausweichquartiere

Der Betreiber gibt an, Geflüchtete über das Virus auch zu informieren. Auf Facebook veröffentlichte ORS jedenfalls am Dienstag Bilder von Verhaltensregeln in Zeiten der Corona-Krise in vielen Sprachen, "die in allen Zentren ausgehängt wurden". Recherchen des STANDARD in Bezug auf Traiskirchen ergaben, dass auch über einen eigenen Pavillion für eine zweiwöchige Quarantäne für Neuankömmlinge nachgedacht wurde. Dadurch, dass es "dreimal so viel Platz in mehreren Gebäuden gibt als aktuell benötigt, lassen sich Personen leichter verteilen beziehungsweise isolieren", erklärt ORS.

Der Schweizer Betreiber schrieb am Montag auf seiner eigenen Homepage aber generell: "In unseren Flüchtlingsbetreuungseinrichtungen leben viele Menschen auf engem Raum." Und schließt mit dem Satz: "Auch wenn es wahrscheinlich nicht so bleiben wird: Wir sind stolz darauf, bis heute keinen einzigen Corona-Fall in unseren Einrichtungen zu haben!"

Flüchtlingsheim unter Quarantäne

(Hinweis: Dieser Absatz wurde nachträglich hinzugefügt.) Schon am Mittwochabend änderte sich das: Im Flüchtlingsheim Bergheim wurde ein Covid-19-Fall bestätigt. Die zuständige Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung stellte daraufhin das gesamte Quartier unter Quarantäne. Die Behörde habe diese Maßnahme verhängen müssen, da es de facto nicht möglich sei, die Kontaktpersonen unter den 162 Bewohnern einzugrenzen, heißt es in einer Aussendung des Landes Salzburg

Aus einer früheren Anfrage des STANDARD an das Innenministerium vom 12. März lässt sich jedenfalls nachvollziehen, dass der Bund durchaus über Ausweichquartiere verfügen würde. Über die Bundesländer verteilt gibt es 26 Bundesbetreuungsstellen mit einer Kapazität von circa 6.500 Plätzen, wovon laut Ministerium elf aktiv sind. Von diesen 2.200 aktiven Plätzen sind derzeit etwa 1.300 belegt. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass weitere 15 Betreuungsstellen in den Bundesländern mit einer Kapazität von 4.300 Plätzen "im Bedarfsfall" und "nach entsprechender Vorlaufzeit" abrufbar wären, wie es seitens des Ministeriums heißt. Diese sind inaktiv oder werden beispielsweise auch als Materiallager verwendet.

Ob erwägt wird, Geflüchtete, die neu ankommen, auf leerstehende Quartiere aufzuteilen oder jene Quartiere mit einer im Corona-Kontext hohen Belegung zu entlasten, beantwortete das Innenministerium nicht.

Asylkoordination fordert Aussetzung von Verfahren

Die NGO Asylkoordination fordert nun, dass die verfügbaren Kapazitäten auch genutzt werden. "Auch Geflüchtete haben Anspruch auf eine Infrastruktur, die es ihnen erlaubt, Hygienevorschriften gegen das Coronavirus einzuhalten", sagt Herbert Langthaler. Außerdem setzt sich die NGO dafür ein, den geplanten Abschiebeflug Anfang April nach Afghanistan zu stoppen. Das Gesundheitssystem vor Ort sei nicht in der Lage, die aktuelle Krise zu meistern, sagt Langhtaler. Eine Abschiebung könnte also gegen das Non-refoulement-Gebot verstoßen. In den vergangenen drei Wochen kehrten fast 70.000 Afghanen wegen der Corona-Pandemie aus dem Iran zurück.

Ein weiterer strittiger Punkt sind laufende Verfahren. Zwar wurden einige Termine vor Gericht abberaumt, dennoch arbeiten die Behörden weiter. Das heißt auch, dass es eine Rechtsberatung geben muss, sagt Langthaler. Dabei komme es zu Wartezeiten und sozialen Kontakten, die nicht erwünscht sein können. Die Asylkoordination fordert deshalb auch, die Verfahren auszusetzen. (Jan Michael Marchart, Laurin Lorenz, 18.3.2020)