Arbeit "aus Liebe", so wird Pflege- und Familienarbeit auch oft genannt. Dabei sollten wir endlich ihren unermesslichen Wert für die Gesellschaft anerkennen – und entsprechend bezahlen.

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Es ist fast ein bisschen wie an Muttertagen. In den sozialen Medien gibt es gerade viele virtuelle Blumen für weibliche Arbeitskräfte, pathetisch und ausführlich wird ihnen gedankt: der Handelsangestellten, der "Hausperle", die ansonsten immer alles blitzblank hält und jetzt leider nicht kommen darf, den vielen weiblichen Pflegekräften.

Das ist ja ganz nett, aber – wie auch an den Muttertagen – auch ziemlich ärgerlich. Warum braucht es eine veritable Krise, um zu sehen, wer am Wesentlichen arbeitet – und trotzdem herzlich wenig dafür bekommt? Frauen arbeiten weitaus öfter "am Menschen", an seiner Gesundheit, in der Betreuung der Kinder, in der Versorgung mit dem Alltäglichen und dem, was wir zum Leben brauchen. Vermutlich wird es gerade deshalb gering geschätzt, weil es alltäglich ist, eine Geringschätzung, die sich bekanntlich auch monetär niederschlägt. Auf Basis von Zahlen der deutschen Bundesagentur für Arbeit zeigt die Seite Statista, dass der überwiegende Teil der existenziellen Lebensbereiche von Frauen geschultert wird.

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In Krankenhäusern sind in Deutschland 76 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten Frauen, im Einzelhandel mit Nahrungsmitteln sind es 72,9 Prozent. Für Österreich hat das "Moment"-Magazin diese Zahlen zusammengefasst:

Zu den ohnehin schlechten Arbeitsbedingungen im Handel kommt jetzt für Frauen noch hinzu, dass sie Ansteckungen in Geschäften schutzlos ausgeliefert sind, zumindest einige Geschäfte installieren nun Schutzscheiben aus Plexiglas für Kassierer*innen.

Vergessen wird derzeit auch Folgendes: Selbst wenn nun unabkömmliche Arbeitskräfte wie Pflegerinnen oder Angestellte im Lebensmittelhandel ihre Kinder in Betreuung geben können, ist das eine andere Betreuung, als die Kinder sie gewöhnt sind. Die Kindergärten sind leer, manche Standorte werden geschlossen oder zusammengelegt. Wer also Betreuung braucht, gibt sein Kind in ein völlig anderes Umfeld, mit einer ungewohnten Konstellation aus Kindern und Betreuerinnen. Für die Kinder, und damit für die Eltern und letztlich wiederum die Mütter, eine zusätzliche enorme Herausforderung.

Anstieg von Gewalt und ungewollten Schwangerschaften

Konsequenzen gibt auch für Pflegebedürftige, die auf sich allein gestellt sein könnten, wenn – wiederum schlecht bezahlte – Pflegerinnen nicht ins Land können oder sich sorgen müssen, ihren Arbeitsplatz nicht mehr verlassen zu können. Daheim haben sie oft selber Kinder. Und Gewaltschutzexpertinnen befürchten einen Anstieg der Gewalt gegen Frauen aufgrund der Ausgangsbeschränkungen. Der Großteil der Gewalt gegen Frauen passiert zu Hause durch den eigenen Partner oder Ex-Partner. Die meisten Morde an Frauen passieren auch dort, wo man jetzt zur Sicherheit aller bleiben soll – wo Frauen allerdings vor Gewalt nicht sicher sind: zu Hause.

Gynäkologinnen befürchten auch einen europaweiten Anstieg der ungewollten Schwangerschaften. Frauen reisen weit, wenn ihnen ein Schwangerschaftsabbruch im eigenen Land erschwert oder ganz verwehrt wird, wie etwa in Polen.

Dankesworte und vorübergehende Anerkennung für das, was sonst übersehen wird, ist viel zu wenig. Es braucht die Einsicht, was wichtig ist, welche Arbeit wesentlich ist – und die entsprechenden Arbeitsbedingungen und monetäre Anerkennung. Und es braucht endlich einen entschlossenen Kampf gegen die alleinige Verantwortung für die Kinderbetreuung, Sorgearbeit und für uneingeschränkte reproduktive Rechte. Diese Krise zeigt, wie kurz das wirtschaftsliberale Verständnis von "Leistungsträgern" greift und dass sich die Last des alltäglich Notwendigen endlich auf mehrere Schultern verteilen muss, anstatt diese Last laufend abzuwerten. (Beate Hausbichler, 20.3.2020)