Das Coronavirus hat Lateinamerika erreicht. Am Wochenende wurden aus 17 der 20 Länder des Kontinents bestätigte Fälle gemeldet, lediglich Nicaragua und El Salvador sowie der Karibikstaat Haiti haben bisher keine Infizierten getestet. Es ist allerdings nur eine Frage der Zeit, bis auch dort erste Infektionen auftauchen.

Besonders betroffen ist Brasilien, wo bereits am 26. Februar der erste Fall entdeckt wurde. Nachdem der Pressesprecher Präsident Jair Bolsonaros bei der Rückkehr von einem US-Besuch positiv getestet wurde, unterzog sich nach langem Zögern auch der Staatschef der Überprüfung, die negativ ausfiel. Am Dienstag waren 290 Infektionen und der erste Todesfall bestätigt, die Grenze zu Venezuela wurde geschlossen.

Für einiges Aufsehen sorgte die Anweisung des TV-Senders Globo an die Drehbuchautoren der Telenovelas "Wir waren zu sechst", "Rette sich wer kann" und "Mutterliebe": Ab sofort seien alle Charaktere, die über 50 Jahre alt sind und damit der Hauptrisikogruppe angehören, aus den Skripten zu streichen.

Bei den Dreharbeiten diese Woche sollen die Großeltern der Protagonisten bereits nicht mehr vorkommen.

Argentinien schnürt Hilfspaket für Wirtschaft

Im Nachbarland Argentinien, wo 79 Infektionen und zwei Tote bestätigt sind, ordnete Wirtschaftsminister Martín Guzmán an, zehn Millionen Euro in Infrastruktur, Steuererleichterungen für Unternehmen, eine Erhöhung des Kindergeldes und günstige Kredite zu investieren.

Präsident Alberto Fernández, der im Dezember das Amt antrat, kämpft mit einer Wirtschafts- und Finanzkrise. Zuletzt verhandelte die Regierung mit ihren Gläubigern über einen Schuldenschnitt. Die Landeswährung Peso ist abgestürzt, die Inflation liegt über 50 Prozent.

Maskenpflicht in Venezuela

Besonders hart dürfte die Coronakrise Venezuela treffen, wo lebenswichtige Medikamente jetzt schon knapp sind. Noch vor einer Woche erklärte Präsident Nicolás Maduro, "das in Kuba entwickelte Interferon" habe in China gute Resultate bei der Bekämpfung des Virus erzielt.

Mittlerweile setzt auch er auf Ausgangssperren, Schulschließungen und Maskenpflicht. Bis Dienstag wurden in dem ölreichen Land 36 Personen positiv getestet. Interimspräsident Juan Guaidó verkündete in einem Video, 3.500 Schutzausrüstungssets an Spitalspersonal verteilen zu wollen.

Der Weltwährungsfonds erteilte Maduros Ersuchen, das Gesundheitssystem des Landes mit fünf Millionen Dollar (4,5 Millionen Euro) zu unterstützen, am Dienstag eine Absage, weil viele Mitgliedsstaaten seine Regierung nicht anerkennen. Es war das erste Mal in seiner siebenjährigen Amtszeit, dass der Nachfolger von Hugo Chávez die UN-Organisation um Hilfe bat.

Der Präsident wandte sich in einer Fernsehansprache an die Bevölkerung.
Foto: AFP/VENEZUELAN PRESIDENCY/ Zurimar CAMPOS

Keine Proteste mehr in Chile

In Chile könnte die für 26. April geplante Volksabstimmung über eine neue Verfassung verschoben werden, teilte Innenminister Gonzalo Blumel am Dienstag mit, ohne einen Ersatztermin zu nennen. Seit dieser Woche sind Schulen und Grenzen geschlossen, Ansammlungen von über 50 Personen werden von der Polizei aufgelöst.

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Gummihandschuhe, Alkoholgel und Schutzmasken vom Straßenhändler.
Foto: AP/Esteban Felix

Obwohl Flugblätter zirkulieren, die zu Demonstrationen aufrufen, ist auch die Protestbewegung weitgehend erlahmt: Straßenhändler auf der Plaza Italia in Santiago, die bisher Steinschleudern und Mittel gegen Tränengas verkauften, bieten nun Schutzmasken und selbsthergestellte Desinfektionsmittel an.

Mexiko sagt Passionsspiele ab

In Mexiko, wo bisher 82 Fälle bekannt sind, sollen zum ersten Mal in 177 Jahren die Passionsspiele von Iztapalapa, einem Stadtteil der Metropole Mexiko-Stadt, ohne Publikum stattfinden. Im Vorjahr besuchten rund zwei Millionen Menschen die Veranstaltung, heuer soll sie in einem geschlossenen Raum stattfinden und im Fernsehen und im Internet übertragen werden.

Die Osterferien beginnen schon am diesem Wochenende und werden auf einen Monat verlängert. Großveranstaltungen finden allerdings weiter statt: Am Wochenende spielte in Mexiko-Stadt die US-Band Guns N' Roses vor tausenden Fans, und Präsident Andrés Manuel López Obrador ließ sich dabei filmen, wie er Babys umarmte und Hände schüttelte.

Das Land hatte bei der Schweinegrippe-Epidemie 2009 nach Auftreten der ersten Fälle umfangreiche Maßnahmen angeordnet, worauf die Wirtschaft um fünf Prozent schrumpfte. Vizegesundheitsminister Hugo Lopez-Gatell, der auch damals für die Bekämpfung der Epidemie zuständig war, will mit abgestuften Maßnahmen eine Wiederholung verhindern.

Er erklärte am Dienstag, viele Länder begingen derzeit den gleichen Fehler wie Mexiko vor elf Jahren. Entscheidungen würden aufgrund von "Ängsten und sozialem Druck" gefällt, statt auf die Wissenschafter zu hören. Ein Sechstel der Wirtschaftsleistung Mexikos kommt aus der Tourismusbranche.

Anti-Corona-Demo im Nicaragua

Einen ungewöhnlichen Ansatz wählte das in Nicaragua regierende Ehepaar Daniel Ortega und Rosario Murillo: Sie organisierten am Samstag unter dem Motto "Liebe in Zeiten von Covid-19" eine Demonstration gegen die Krankheit, an der sie selbst allerdings nicht teilnahmen.

"Ich habe mich entschieden, nicht Opfer der Medienparanoia zu sein."
Foto: AFP/INTI OCON

Im Pazifikhafen Puerto Corinto begrüßten derweil Schulkinder in Landestracht die Passagiere des Kreuzfahrtschiffs Amadea.

Landgang in Puerto Corinto.
El 19 Digital ▪ Noticias ▪ Nicaragua

Kuba macht Werbung

Die Karibikinsel Kuba hofft ebenfalls, dass die Tourismuseinnahmen trotz der Corona-Epidemie nicht einbrechen: Das staatliche Reisebüro Havanatur verbreitet auf Twitter die Falschinformation, dass hohe Temperaturen die Ausbreitung des Virus verlangsamten.

Am Mittwoch durften die Passagiere des britischen Kreuzfahrtschiffs Braemar in Havanna von Bord gehen, um die Heimreise anzutreten. Barbados und die Bahamas, beide Mitglieder des britischen Commonwealth of Nations, hatten das Schiff zuvor abgewiesen, weil von den über tausend Passagieren fünf positiv getestet wurden.

Im Gegensatz zu Tirol dürfen die Briten allerdings keine Folgeübernachtungen auf Kuba einlegen, sondern werden direkt zum Flughafen gebracht, von wo aus sie Chartermaschinen nach Hause bringen.

Auf der Insel sind bisher sieben Corona-Fälle bestätigt, Einreisende müssen am Flughafen ihre Temperatur messen lassen, Großveranstaltungen wurden abgesagt.

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Maskennäherin in Havanna.
Foto: Reuters

Außerdem werden in staatlichen Fabriken Atemschutzmasken angefertigt, die bisher auf Kuba nicht erhältlich waren. Inzwischen wurden 196.000 Masken genäht, teils aus Stoffen, die eigentlich für Schuluniformen vorgesehen waren. (Bert Eder, 18.3.2020)