Betroffenheit unter den Container-Insassen von "Big Brother" auf Sat1.

Foto: Screenshot Sat1

Natürlich könnte man jetzt hämisch ablästern über diesen trashigen Sozialporno, der dem TV-Publikum seit gefühlten Jahrzehnten in der Sat.1-Sendung Big Brother zugemutet wird. Wahrscheinlich gehören Sie wie ich zu den paar Millionen Zuseherinnen und Zusehern, die da natürlich meilenweit drüberstehen, für die es bloß ein gelegentliches "guilty pleasure" ist, da reinzuzappen – so wie der Gang zum Burgerbrater des persönlichen Misstrauens ("Höchstens ein Mal im Jahr, ich schwöre"). Man könnte sich auch endlos lustig machen über die nicht nur in Corona-Sachen, sondern auch sonst so im Leben recht ahnungslosen Container-Bewohnerinnen und -Bewohner.

Dieser kleine bourgeoiise Schauer

Und da ist er wieder, dieser kleine bourgeoise Schauer, wenn man sich delektiert an den entsetzten Blicken, den Tränchen und Tränen, wenn die Trash-TV-Sternchen von Big Brother-Arzt Andreas Kaniewski erstmals über die Corona-Krise in Deutschland informiert werden. Live, in Farbe, mit intimem Kamerazoom auf große, feuchte Augen und bebende Lippen.

Doch man könnte es auch anders sehen: Vermutlich zu keinem anderen Zeitpunkt davor dürfte es Millionen und Millionen vor allem junger und jüngerer Menschen im deutschsprachigen TV-Publikum gedämmert haben, um was es da wirklich geht: Dass das Virus nichts ist, was man wegignorieren, wegfeiern und wegballermannen kann. Und dass es, verdammtnochmal, auf michmichmich und niemanden sonst ankommen könnte, damit Omi oder Opi nicht sterben müssen. Bildungsauftrag erfüllt. (Gianluca Wallisch, 19.3.2020)