Das sich rasch ausbreitende Virus Sars-CoV-2 stellt Gesellschaften weltweit vor massive Herausforderungen. Drastische Einschnitte werden in praktisch allen Lebensbereichen vorgenommen. Überall wird das Virus so zur Belastungsprobe für zwei essenzielle Dimensionen des Vertrauens: zum einen für das vertikale Vertrauen zwischen der Bevölkerung und den öffentlichen Verantwortungsträgern ("Institutionenvertrauen"); zum anderen für das Vertrauen der Menschen zueinander ("soziales Vertrauen").

Sars-CoV-2 hat das Potenzial, auch unser Vertrauen in politische Institutionen zu beeinflussen.
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Ohne ein Mindestmaß an Vertrauen in politische Verantwortungsträger können Maßnahmen, die der Staat nicht mit Zwang durchsetzen kann oder will (zum Beispiel regelmäßiges Händewaschen oder "Social Distancing") kaum flächendeckend implementiert werden. Gerade um persönliche Verhaltensweisen zu ändern, braucht es vonseiten der Bevölkerung die Annahme, dass die Politik im Interesse der Allgemeinheit handelt.

Ohne soziales Vertrauen wiederum können Alltagssituationen leicht eskalieren und bei jedem Einzelnen das Gefühl entstehen, kooperatives Verhalten sei wenig sinnvoll.

Wie steht es nun um das Vertrauen in politische Verantwortungsträger und unser soziales Umfeld in Europa? Antworten darauf gibt das European Social Survey 2018/19. Die Grafik unten zeigt Mittelwerte pro Land für zwei Indizes (Institutionenvertrauen und soziales Vertrauen) auf einer Skala von 0 bis 10. Details der Operationalisierung werden unterhalb der Grafik erklärt.

Zunächst einmal wird klar, dass beide Vertrauensdimensionen miteinander korrelieren – zumindest auf der Länderebene. Außerdem gibt es große Unterschiede zwischen den Ländern – was umso signifikanter ist, wenn man bedenkt, dass die Punkte in der Abbildung Mittelwerte pro Land darstellen, um die herum es noch sehr viel Streuung gibt. Im Schnitt liegen etwa 80 Prozent der Befragten pro Land im Bereich von zweieinhalb Skalenpunkten rund um diese Mittelwerte. Trotz dieser großen Varianz innerhalb der Länder sind die Unterschiede zwischen den Ländern sehr stark ausgeprägt.

Eine Erklärung dafür sind natürlich die wirtschaftlichen Verhältnisse: Das Pro-Kopf-Einkommen ist in Norwegen (in der Grafik ganz rechts oben) um ein Vielfaches höher als in Bulgarien (links unten). Aber die Ökonomie erklärt beileibe nicht alles – woher rührten sonst die massiven Unterschiede etwa zwischen Frankreich und Finnland oder zwischen Großbritannien und den Niederlanden?

Österreich liegt im europäischen Vergleich (oder zumindest im Vergleich der Länder, die in dieser Befragung erfasst wurden) im oberen Mittelfeld. Es gibt also einiges an politischem und sozialem Kapital, von dem wir in der Krise zehren können. Aber immerhin ein Viertel der Befragten in Österreich weist Indexwerte von 3 oder weniger beim Institutionenvertrauen auf, und für zehn Prozent trifft das auch im Bezug auf soziales Vertrauen zu. Und natürlich können mit Fortdauer der Krise auch Handlungen (oder Nichthandlungen) politischer Verantwortungsträger dazu beitragen, dass Vertrauen verloren geht. (Laurenz Ennser-Jedenastik, 18.3.2020)