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Prinzessin Bea von Auersperg in ihrem Anwesen in Marbella, 1983.

Foto: Getty Images

Er hat mit Prinzessin Bea von Auersperg diniert, mit Rolf Sachs St. Moritz unsicher gemacht, sich von Werner Kieser, dem Gründer der Fitnesskette, das Gästeklo zeigen lassen und mit Gunilla Gräfin von Bismarck Smalltalk geführt.

Der deutsche Schriftsteller Dennis Gastmann kennt die feinen Unterschiede zwischen Jetset-Adel und Neureichen, er weiß, wie man sich auf diesem glatten Parkett bewegt. Für sein 2014 erschienenes Buch Geschlossene Gesellschaft hat er alle Hebel in Bewegung gesetzt, um in diese hermetischen Zirkel einzutauchen. Und um zu klären, was die Betroffenen meist gern geheimhalten: Wie leben Superreiche eigentlich?

STANDARD: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, sich mit Reichtum zu beschäftigen?

Dennis Gastmann: Die Champagnerbrise in den Schweizer Alpen. Eine Melange aus Bergluft und einem Hauch von Geld. Ich hatte für eine Nacht im Genfer Luxushotel Beau-Rivage eingecheckt, direkt am Quai du Mont Blanc, und fühlte mich in all dem Prunk entsetzlich fremd. Aber gleichzeitig war ich so fasziniert, dass ich unbedingt über Reichtum schreiben wollte: Was macht Geld mit dem Kopf und mit dem Herzen? Was ist Luxus, wenn man alles besitzt?

STANDARD: Was hat Sie bei der Recherche am meisten überrascht?

Gastmann: Anscheinend ist Geld nur dann interessant, wenn man keines hat. "Welche Rolle spielt Geld, wenn Geld keine Rolle mehr spielt?", fragte ich den schwäbischen Schraubenmilliardär Reinhold Würth. Seine Antwort: "Zettele!" Das seien doch alles bloß Zettel, und er habe nie welche von "diesen Zetteln" dabei. Würth lasse sich gerne zum Essen einladen, und seine Assistenz begleiche später die Rechnung.

STANDARD: Haben wir ein falsches Bild von den Reichen?

Gastmann: Uns fehlt vielleicht die Empathie. Glauben Sie mir: Auch ich wollte sie hassen, die Reichen. Neid gehört zu unserer Kultur. Und der Neidische möchte glauben, dass in den Palästen nur Unmenschen wohnen. Aber manche von ihnen habe ich erstaunlich lieb gewonnen.

STANDARD: War es schwierig, in diese geschlossene Gesellschaft vorzudringen?

Gastmann: Ja, natürlich! Geld ist einerseits Freiheit und andererseits legt es Ketten an. Ich schrieb wirklich dutzende Anfragen, dekorierte sie mit Sahne, Kirschen und Komplimenten, aber was hatte ich den Millionären denn zu bieten? Ich konnte sie nicht reich machen. Berühmt waren sie auch schon. Und Aufmerksamkeit wollten sie nun wirklich nicht. Die ehrlichste Abfuhr bekam ich ausgerechnet von der Deutschen Bank. Anshu Jain, der damalige Vorstandsvorsitzende, gebe nur Fachinterviews, hieß es. Und die würde ich, mit Verlaub, niemals verstehen.

STANDARD: Wie war das Treffen mit Werner Kieser, dem Gründer der Fitnesskette?

Gastmann: Er ist ein Filou. "Wann und wo?", ließ er ausrichten und empfing mich in seiner Villa über dem Zürichsee. Kieser öffnete im Pyjama, den Rottweiler an der Hand, führte er mich durch die Gemächer. Bis ins Schlafzimmer. Sogar ins Gästeklo. Er öffnete Schränke, Gefriertruhen und Mülleimer. "Schauen Sie, ich bin nicht reich!", sagte er und grinste schelmisch. Vermögen sei das, was man vermag. Heute behauptet Kieser, er habe damals einen Kimono getragen.

STANDARD: Und Rolf Sachs, den Sie in St. Moritz besucht haben?

Gastmann: Es war ein Treffen mit dem Schneekönig. Rolf Sachs, ältester Sohn von Gunter Sachs, hat nicht nur ein Haus in St. Moritz. Er ist St. Moritz. Sachs bewohnt das alte Olympiazentrum, eine verschneite Schönheit mit Turm und Panoramafenstern, und er lud mich auf die legendäre Bobbahn ein. Er selbst soll sie schon einmal im Smoking bezwungen haben. Sitzend auf einem Silbertablett.

STANDARD: Würden Sie mit ihm tauschen wollen?

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Gunter Sachs mit Sohn Rolf 1968.
Foto: Picturedesk

Gastmann: Ich habe Sachs um vieles beneidet. Er kann heute an der Côte d’Azur und morgen in Manhattan sein. Und ich bewundere ihn für seine Kunst, besuchen Sie mal sein Atelier in London! Aber er kann nicht aus seiner Haut: "Das ist doch nur der Sohn des Vaters", sagen die Leute. Viele Reiche, die ich treffen durfte, litten unter Traumata. Der frühe Tod des Vaters, die schwere Zeit im Internat, die gerade noch abgewendete Insolvenz. Etwas saß ihnen im Fleisch, das sie quälte und gleichzeitig zu großen Leistungen trieb.

STANDARD: Sie waren auch auf einem Charity-Event mit Bea von Auersperg.

Gastmann: "Wenn Sie einmal wahren Luxus erleben wollen", sagte die Prinzessin am Telefon, "dann setzen Sie sich in den nächsten Flieger." Bald fand ich mich auf einer großen Gala an der Costa del Sol wieder, in Marbella, umringt von Kasinobesitzern, Baulöwen, Mannequins, Gunilla von Bismarck und der Ex von Dolph Lundgren, deren Namen ich leider vergessen habe. Dresscode: "The Great Gatsby".

STANDARD: Die Prinzessin hat Sie offenbar ohne weiteres in ihren Inner Circle eingeführt. Wieso?

Gastmann: Vielleicht amüsierte ich sie. Vielleicht war ich ihr Maskottchen an diesem Abend, jemand, dem man noch etwas über Stil, Benehmen und die Kunst des Smalltalks beibringen konnte. Das Tischgespräch wechselte fließend von Deutsch auf Englisch auf Französisch auf Italienisch auf Spanisch. Ein kosmopolitisches Gewirr aus herrlich oberflächlichem Nonsens, begleitet von Hollywoodpalmen, Meeresrauschen und leichtem Jazz.

STANDARD: Können Sie die Prinzessin ein wenig beschreiben?

Gastmann: Witwe eines österreichischen Großwildjägers. Residiert angeblich in einer Finca mit Mata-Hari-Touch. Echtes Löwenfell auf dem weißen Marmorboden, und wenn die Gerüchte stimmen, umranken ihren Kamin die Stoßzähne eines Elefantenbullen.

STANDARD: Und Gunilla Gräfin von Bismarck, die auch anwesend war?

Gastmann: Ein Kunstwerk. An diesem Abend wirkte sie in ihrem Paillettenkleid wie ein menschlicher Kronleuchter. Dazu trug sie ein purpurnes Bolerojäckchen aus Nerz und eine Handtasche, die früher ein Kugelfisch gewesen sein muss. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Beide Damen von Stande hatten große Klasse. Auch wenn manche ihre Retro-Glamourwelt "morbid" nannten.

STANDARD: Ist das der alte Adel?

Gastmann: Das ist der alte Jetset-Adel. Dekadenz mit Stil. Ich weiß noch, wie eine Dame aus unserer Runde in der Tombola gewann. Sie kehrte mit einer malvenfarbenen Handtasche aus Leguanhaut an den Tisch zurück. Der Wert: eintausendsechshundert Euro. "Was soll ich denn damit machen?", fragte sie echauffiert. Und eine andere antwortete: "Ja gib’s halt der Haushälterin, die freut sich über so was!" Ein Influencer wäre mit der Tasche schon längst über alle Berge gewesen.

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Gräfin von Bismarck 1990 mit dem Leiter des Golfplatzes "San Roque".
Foto: Picturedesk

STANDARD: Welche Verhaltenscodes gibt es in solchen Kreisen?

Gastmann: Der Dame ungefragt nachschenken, sobald sich das Glas leert. Sich am Tisch erheben, wenn Madame sich kurz entschuldigt. Konversation in sieben Sprachen, selbst wenn man keine der Sprachen beherrscht. In jeder Stadt der Welt ein Lieblingsrestaurant haben. Und bei aller Feinschmeckerei niemals den Teller leer essen, sonst bist du ein Bauer. Diesen Code kannte ich damals nicht, und Frau von Bismarck fragte: "Na, willst du mein’s auch noch?"

STANDARD: Was unterscheidet diese Clique von anderen Reichen?

Gastmann: Bea von Auersperg zog eine deutliche Linie zwischen altem und neuem Geld. Wer nicht adelig ist, nicht sonderlich vermögend und aus dem falschen Geschirr speist, gehört einfach nicht dazu. "Weißt du, was ich damit meine?", sagte die von Auersperg. "Bei mir zu Hause möchte ich im Tod keine Versace-Teller haben!" Daran erkenne man den Geldadel.

STANDARD: Braucht man immer einen Türöffner, um überhaupt angehört zu werden?

Gastmann: Natürlich hilft es, sich in Kreisen zu bewegen. "Spielen Sie Golf", riet mir eine Baronesse, "und alles geht seinen Gang, babapi babapam."

STANDARD: Sie waren auch auf einer Butler-Schule. Was müssen diese können, um heute zu bestehen?

Gastmann: Butlern ist eine hohe Kunst. Und die Seele dieser Kunst besteht, ob man nun in britischen Adelshäusern oder auf chinesischen Superyachten dient. Ein guter Butler macht sich unsichtbar. Er verschwindet. Ein Raum muss mit einem Butler leerer sein als ohne ihn. Bewege dich lautlos, auf Teppich, auf Marmor, auf Parkett. Sei ein Sorgenlöser. Ein Butler fragt nicht, was gewünscht ist. Er weiß es. Nicht reden, handeln!

STANDARD: Ist Sylt wirklich noch so exklusiv?

Gastmann: Ich lebe in Hamburg und hoffe von jeher, dass mich ein Wiener adoptiert. Den gemeinen Hamburger zeichnen zwei Dinge aus: der Regen und die Sehnsucht nach Sylt. Ich konnte das nie verstehen. Sicher, der Strand hat Stil. Und in der Ära Gunter Sachs mag Sylt noch mondän gewesen sein. Aber ohne einen echten Sachs ist St. Moritz nur ein Bergdorf und Sylt nur eine Insel.

STANDARD: Wer war eigentlich der Glamouröseste, den Sie getroffen haben? Wer hat Sie wirklich beeindruckt?

Gastmann: Das mag Roland Paxino gewesen sein, ein ehemaliger Immobilienjongleur. Er saß angeblich monatelang im Knast, weil in Dubai ein Hundert-Millionen-Dollar-Scheck geplatzt ist. Die Zelle will er sich mit einem Menschenfresser geteilt haben. Paxino war ein brillanter Geschichtenerzähler. Und ein Gourmet.

STANDARD: Hat sich Ihr Bild von den Reichen denn verändert?

Gastmann: Es ist ein Wunderland, in dem ich manchmal eine bedrückende Langeweile verspürte. Wer braucht vergoldete Mikrowellen oder eine Superyacht im Fluss hinter dem Haus, die nur zum Shoppen gedacht ist? Vielleicht sind unvermögende Menschen tatsächlich glücklicher, weil sie noch Träume haben. Man könnte auch sagen: Sie erleben noch Wunder. (Karin Cerny, RONDO exklusiv, 20.4.2020)