"Wer die Möglichkeit hat, Kinder zu Hause zu betreuen, sollte das tun", "Unternehmen sind dazu angehalten, ihren Mitarbeitern Homeoffice zu ermöglichen" – diese und ähnliche Aussagen treffen Mitglieder der Bundesregierung derzeit täglich. Doch was bedeutet das konkret in Zeiten wie diesen für die Eltern?

Schon seit der Geburt meiner jüngeren Tochter 2012 lebe ich das, was jetzt für wohl tausende Eltern zumindest kurzfristig zur Realität wird. Bereits während meiner Schwangerschaft einigte ich mich mit meinem damaligen Chef auf eine Homeoffice-Lösung, um Job und Kind vereinbaren zu können. Was jedoch in der Theorie als so modern gilt, hat mich in den vergangen Jahren zum Teil an die Grenze der Belastbarkeit gebracht. Warum?

Arbeit, Kind und Haushalt. Derzeit schaut bei vielen arbeitenden Eltern der Alltag so aus.
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Ganz einfach, weil ich als pflichtbewusster Mensch ständig mit schlechtem Gewissen leben muss. "Maaamaaa, mir ist faaad", ertönt es vom Wohnzimmer im Erdgeschoß. Ich bin gerade dabei, mehrere E-Mails gleichzeitig zu beantworten, um Zeit zu sparen. Die Kleine hat Ferien, die Freundinnen sind im Urlaub. Eigentlich sollte ich mich doch mit meinem Kind beschäftigen, aber der Chef braucht bis Mittag eine wichtige Auswertung. Gut, eine kleine Pause darf sein, und so gehe ich mit meiner Tochter auf den Spielplatz. "Aber nur eine halbe Stunde, dann muss ich wieder arbeiten!"

Der innere Druck steigt

"Immer sitzt du vor deinem Laptop", kommt es zurück. Und schon wieder nagt das schlechte Gewissen. Während sie am Spielplatz rutscht und schaukelt, frage ich mich, wie viele Mails mich wohl zu Hause wieder erwarten. Der innere Druck steigt, und daher gehen wir wieder zurück. Zum Glück übernimmt die ältere Schwester daheim die Betreuung, und so ziehe ich mich wieder in meinen Arbeitsraum zurück. "Maaamaaa, wir haben Hunger!", tönt es nach gefühlten zehn Minuten. Was, es ist schon zwölf Uhr, und ich habe kein gesundes Mittagessen gekocht?

Als Kompromiss mache ich Couscous mit Gemüse, dank kurzer Kochzeit in 15 Minuten fertig. Dabei beseitige ich zumindest einen Teil des Chaos, das meine beiden im Wohnzimmer angerichtet haben. Eigentlich sollte ich ja Staub saugen, aufwischen, aber wann, wann, wann? Mit dem Gedanken "Man muss Prioritäten setze" kehre ich in mein Homeoffice zurück. Und so geht es weiter den ganzen Tag, an dem sich Arbeitsphasen, Spielzeit, Haushalt und viele andere Verpflichtungen mischen.

20 Uhr, die Kleine ist im Bett. Der Laptop blinkt in meinem Arbeitszimmer – wieder einige Mails im Eingangsordner. "Wenn ich die jetzt noch abarbeite, kann ich morgen Vormittag vielleicht eine Stunde ins Freibad fahren ..." Ein verlockender Deal, und so geht es bis halb zehn weiter. Als ich noch einen kurzen Blick in die Zeitung werfe, versuche ich die Brösel auf dem Esstisch und den Staub auf den Wohnzimmermöbeln zu übersehen. Hundemünde falle ich um 22 Uhr ins Bett und zähle die Stunden, bis der Wecker um 5.30 Uhr läutet. Dann geht es für mich nämlich los zum täglichen Morgenlauf mit meinem Hund. Denn ich weiß, wenn die Kinder erst aufstehen, habe ich keine Minute mehr für mich.

Herausforderung Heimlernmodell

Kurz vor sieben Uhr komme ich voll Energie zurück, wo meine Tochter mich mit der Frage "Wann gibt's Frühstück?" erwartet. Als ich sie frage, ob wir noch schnell Muffins backen, bevor ich mich zum Laptop setze, meint sie: "Du bist die beste Mama der Welt." Da geht mir das Herz auf, und ich bin bereit wie nie für den herausfordernden Tag im Homeoffice mit Kind.

Gerade in den Ferien ist Homeoffice mit Kind eine richtige Gratwanderung, in Zeiten der Schulschließung wegen der Coronakrise umso mehr. Immerhin kommen Großeltern nicht für die Betreuung infrage. Dazu kommen noch Herausforderungen, die das geplante "Heimlernmodell" mit sich bringt. Kinder im Volksschulalter werden vermutlich die von den
Lehrkräften ausgearbeiteten Übungsmaterialien nicht selbstständig erledigen können. Doch wie heißt es so schön? "Wir werden das Kind schon schaukeln", und vermutlich freuen sich Eltern und Kinder wie niemals zuvor, wenn in den nächsten Wochen Entwarnung kommt und die Schulen wieder öffnen. Ich sehne schon den Tag herbei, wenn ich meiner Tochter auf die Frage "Wann fahren wir zu Oma?" wieder mit "Morgen!" antworten kann. (Sonja Wirgler, 20.3.2020)