Offiziell hält Österreichs Einzelhandel bis auf wenige Ausnahmen diese Woche geschlossen. Die Branche stellt sich auf eine längere Durststrecke ein.

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Wien – Möbelkonzern Lutz ist schlafend gestellt. Die Zentrale in Wels ist geschlossen, die Filialen sind abgeriegelt. Das Lohnbüro arbeitet im Homeoffice, 8.000 Mitarbeiter im Verkauf sind auf Kurzarbeit. Nur Haustechniker sehen in den mehr als 140 Standorten in Österreich regelmäßig nach dem Rechten. Untereinander treffen sich die Manager des Einrichtungsriesen täglich um acht Uhr Früh: In Videokonferenzen arbeiten sie die jüngsten wirtschaftlichen Entwicklungen rund um Corona auf.

"Kein Krisenplan in der Schublade"

Lustig ist das nicht, sagt Konzernsprecher Thomas Saliger, "für so eine Situation hat keiner einen Krisenplan in der Schublade, und es wird die Unternehmer eine Lawine Geld kosten". Dennoch sieht er Lutz mit einem blauen Auge davonkommen – dank des von der Regierung geschnürten Pakets für Kurzarbeit. Ein Vorzeigemodell nennt es Saliger, "Österreich ist eine Insel der Seligen".

Das Familienunternehmen, das keineswegs als Freund von Betriebsräten gilt, spart nicht mit Lob für die Gewerkschaft. Aufgrund der von den Sozialpartnern getroffenen Regelung werde Lutz den Stand der Mitarbeiter hierzulande halten, verspricht Saliger. Die auf drei Monate vereinbarte Kurzarbeit ermögliche es dem Handelsriesen, nach der Krise quasi über Nacht in den Normalbetrieb zurückzukehren.

Verwaiste Einkaufsstraßen in Wien: Kunden tummeln sich allein im Lebensmittelhandel. Auch in vielen Drogerien wurde es nach dem Ansturm vergangene Woche mittlerweile ruhig.
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Wobei von normal wohl keine Rede sein werde, wie er relativiert. Der bis Ostern verpasste Umsatz lasse sich auch in den kommenden Monaten nicht wettmachen. "Wir wissen alle nicht, wie die Krise in den Köpfen der Konsumenten nachwirkt."

Mitarbeiter als Rückgrat

Ernst Mayr, Miteigentümer und Chef der Modekette Fussl, hat Mitte der Woche 1.200 Briefe mit Einzelvereinbarungen an seine Mitarbeiter verschickt. Auch er bietet ihnen Kurzarbeit an. Wobei sich seine Familie von Anfang an darüber einig gewesen sei, dass Fussl aufgrund der Corona-Krise keinen kündigen werde, "die Leute sind unser Rückgrat".

2019 sei für sein Unternehmen zum Glück ein gutes Jahr gewesen. "Heuer reden wir lieber nicht über Gewinne. Wir werden es nehmen, wie es kommt." Mit Nachziehkäufen in einigen Monaten, wenn das Schlimmste im Handel überstanden sein sollte, rechnet Mayr nicht. "Die Leute werden dann anderes im Sinn haben, als sich mit Mode einzudecken."

Kurzarbeit auch in Drogerien

Das neue Modell der Kurzarbeit dient als Rettungsanker, zu dem viele große Unternehmen im Handel greifen. Selbst jene, die vor kurzem noch als Gewinner der Krise gesehen wurden. DM etwa bereitet eine Anmeldung für einen Teil der Belegschaft vor, bestätigt Konzernsprecher Stefan Ornig. In den vergangenen Tagen von Kunden gestürmt, füllt die Drogeriekette diese Woche leergeräumte Lager und Regale auf. Seit Montag verzeichnet der Konzern jedoch deutliche Umsatzeinbußen. Konsumenten sind nach Hamsterkäufen gut versorgt, der Bedarf an Mitarbeitern sinkt.

Vereinzelt dürften von der Kurzarbeit auch Unternehmen Gebrauch machen, die wirtschaftlich nicht darauf angewiesen sind. Von unerwünschten Mitnahmeeffekten ist in der Branche die Rede, die vorerst wohl oder übel geschluckt werden müssten. Zu groß ist die Sorge vor an einem Heer an Arbeitslosen.

"Uns hilft derzeit der starke Onlinehandel", sagt Intersport-Chef Thorsten Schmitz. Für seine Zentrale hat der Sporthändler Kurzarbeit beantragt, in den Filialen hält er sie aufgrund des starken Saisonbetriebs nur für anwendbar, wenn ihr Start ohne vorherigen Abbau von Zeitguthaben und alten Urlauben gewährleistet ist. Die Regierung bereitet eine entsprechende Regelung vor.

Teuer für Kleine

Im Buchhandel satteln Morawa und Thalia auf Kurzarbeit um. Für kleine Betriebe hingegen hält Erwin Riedesser, Eigentümer der Buchhandlung Leporello und Vorsitzender des Buchhändlerverbands, das Paket der Regierung für unattraktiv. Zwar kommen auch Lehrlinge in die Kurzarbeit, Urlaube müssen nicht mehr abgebaut werden und staatliche Mittel dafür werden erhöht. "Unterm Strich bleiben die Kosten für Kleine aber einfach zu hoch", sagt Riedesser. Er fürchtet, dass seine Branche längerfristig um Kündigungen nicht herumkommt. Was ihr hilft, sei eine Welle an Solidarität der Kunden, die Bücher nun vermehrt online bei kleinen österreichischen Händlern bestellen.

Hoffen auf Loyalität

Auch Sonja Völker, die unter der Marke Herzilein fünf Shops für Kindermode und Schreibwaren führt, bereiten die aus ihrer Sicht hohen Kosten der Kurzarbeit Kopfzerbrechen. Sie hält bei Herzilein nun allein die Stellung, musste sich von ersten Mitarbeitern einvernehmlich trennen. Sie werde alles daran setzen, damit ihr Betrieb überlebt und sie die betroffenen Leute in der Sekunde, in der sich die Lage bessert, wieder einstellen könne, sagt sie. "Ich hoffe auf ihre Loyalität." 18.000 Euro an monatlichen Mietkosten bei null Umsatz müsse sie nun wie auch immer stemmen. "Die Risiken richtig abzuwägen, ist so schwierig." Was Völker wichtig ist: "Die Nichtbesteuerung internationaler Internetriesen muss spätestens jetzt ein Ende nehmen."

Keine Lust auf Schokolade

Chocolatier Walter Heindl dürfte seine 31 Süßwaren-Filialen eigentlich offen halten. "Aber welchen Sinn hat das, wenn kein Mensch auf der Straße ist?" Also fuhr auch er die Rollbalken runter. Seine kapp 300 Mitarbeiter sind auf Kurzarbeit, die Produktion steht bis auf eine Anlage still. "Wir wollen alle Jobs halten, wir vertrauen auf die Hilfe des Staates und darauf, dass der Spuk bald vorbei ist." Seine finanzielle Situation beschönigt Heindl nicht. Er habe monatlich Fixkosten von 800.000 Euro, die Mieten noch nicht eingerechnet. "Ohne einen Euro Umsatz ist das Horror pur."

Gastronomen heuern in Supermärkten an. Auch Händler, die schließen mussten, bieten ihren Mitarbeitern an, dort kurzzeitig dort auszuhelfen.
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Kompliziert wird die Beantragung von Kurzarbeit, wenn kein Betriebsrat vorhanden ist. Es braucht derzeit noch Einzelvereinbarungen mit jedem Mitarbeiter, sagt Salamander-Chef Klaus Magele. Geld gibt es für die Unternehmen nur zeitverzögert im Nachhinein, was ohne Umsatz die Liquidität stark belaste. Magele hält das Modell für seine 500 Mitarbeiter dennoch für sehr vernünftig.

Der Schuhhändler bietet Mitarbeitern, die nicht bis zu 20 Prozent ihres Einkommens verlieren wollen, an, in den kommenden Wochen für Konzerne wie Rewe im Lebensmittelhandel zu arbeiten. Ihr Dienstverhältnis mit Salamander bleibt damit aufrecht. Rewe überweist im Rahmen einer Arbeitsüberlassung die Gehälter an die Schuhkette, die sie wiederum ihren Leuten ausbezahlt.

Welkende Blumen

Während Textilhändler ihre Ware notfalls fürs nächste Frühjahr einlagern können, sieht Robert Bigl seine Blumen und Pflanzen in Lagern und Geschäften welken. 300 Jobs stehen auf dem Spiel, sagt der Eigentümer des größten österreichischen Schnittblumenhändlers B&B. Existenzgefährdend sei die Lage auch für Gärtner. Bigl prüft für seine Leute derzeit den Weg der Kurzarbeit. Dass Supermärkte Blumen weiterhin handeln dürfen, während Floristen zusperren mussten, ist ihm ein harter Dorn im Auge. Er pocht darauf, zumindest temporär offen halten zu dürfen. (Verena Kainrath, 19.3.2020)