Viele Franzosen sehnen sich nun an den Strand – einige sind aber gesperrt. Wie hier in Bois-plage in Südwestfrankreich.

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In ganz Europa kommt es zu starken Einschnitten im Zuge der Coronakrise. In vielen Ländern Europas gelten Ausgangssperren beziehungsweise –beschränkungen.

  • Franzosen bangen wegen Ausgangssperren um ihre Freiheit

Wie zu Beginn des Zweiten Weltkriegs fliehen tausende Pariser Richtung Süden. "Der Exodus wirft die Frage der Virusübertragung auf andere Regionen auf", so Gesundheitsminister Olivier Véran. Gilles Pialoux, Chef der Infektionsabteilung im Pariser Spital Tenon, schimpfte im TV über den "mangelnden Sinn für das Allgemeinwohl". Er habe "genug von der Disziplinlosigkeit" in Sachen Volksgesundheit.

Eine Pariserin namens Mathilde schilderte in einem bretonischen Lokalblatt, sie sei auf der Insel Belle-Île – wo das Coronavirus noch nicht angekommen ist – mit eisigen Blicken empfangen worden. "Man wirft uns vor, das Virus anzuschleppen, die Läden zu leeren und die Spitalbetten zu füllen." Der Bürgermeister der malerischen Bretagne-Insel ruft die Inhaber von Zweitresidenzen formell auf, von jeder Anreise abzusehen. Auf der Atlantikinsel Île de Ré, wo viele Rentner Angst vor der ersten Ansteckung haben, haben die Behörden sämtliche Strände und Radwege geschlossen.

In der Hauptstadt wehren sich Abreisende gegen den oft gehörten Vorwurf, die reichen Pariser setzten sich über die nationale Solidarität hinweg und gefährdeten den Sinn der Ausgangssperre. Vor dem Bahnhof Montparnasse erklärte ein Student, er sei keineswegs privilegiert, lebe er doch mit seiner Freundin in einer 23-Quadratmeter-Wohnung. Wochenlang darin eingeschlossen zu sein könne er sich schlicht nicht vorstellen. Da fahre das Paar lieber ins Ferienhaus der Eltern. Ohne jedes Virus, versprochen. (brä)

  • Die Belgier sind den Notstand seit den Terroranschlägen gewöhnt

Belgien war das erste EU-Land nach Italien, das bereits in der vergangenen Woche sehr harte Maßnahmen gegen die Verbreitung des Coronavirus setzte, ähnlich wie zwei Tage später auch die österreichische Regierung. Der Nationale Sicherheitsrat verfügte die komplette Schließung von Cafés, Bars, Restaurants, Kinos, aller Sport-, Kultur- und Freizeitaktivitäten. Apotheken und nur Geschäfte für den dringenden Lebensbedarf haben offen. Der Unterricht an Schulen wurde eingestellt, sie bleiben aber für Kinderbetreuung offen. Am Mittwoch folgte eine allgemeine Ausgangssperre.

Dieses "belgische Stufenmodell" wird inzwischen von vielen Ländern angewendet. Der rasche Notstand war doch überraschend, weil die Zahl der Corona-Infizierten damals noch ähnlich niedrig war wie in Österreich. Und das Königreich hat seit einem Jahr nach wie vor nur eine Übergangsregierung unter Premierministerin Sophie Wilmès.

Die Umsetzung ist nicht untypisch für die improvisationsgeübten Belgier: Die Stilllegung des Landes klappt gut, auch wenn sich die Leute nicht sklavisch an polizeilich kontrollierte Regeln halten. In der multikulturellen EU-Hauptstadt Brüssel ist es still wie nie, der Flugverkehr ist ausgesetzt, Straßen sind leer. Der sprichwörtliche Humor und die Gelassenheit der Menschen tragen dazu bei. Supermärkte etwa waren nie ausverkauft. Es gibt Klopapier. Die Menschen sind seit den Terroranschlägen von Islamisten im März 2016 an den nationalen Notstand und an Sicherheitsregeln gewöhnt. (tom)

  • Eine Ausgangssperre gibt es bisher nur in einem Ort in Bayern

"Niemand ist verzichtbar. Es kommt auf jeden an!" Mit diesen eindringlichen Worten hat sich Kanzlerin Angela Merkel in ihrer ersten TV-Ansprache abgesehen von den Neujahrsreden an die Deutschen gewandt. Sie versuchte noch einmal mit großer Vehemenz klarzumachen, was deutsche Politiker seit Tagen predigen: Man solle zu Hause bleiben und die sozialen Kontakte auf das Nötigste beschränken.

Doch auch in Deutschland wird immer häufiger über eine Ausgangssperre gesprochen. Diese wäre das letzte Mittel, wenn sich die Bürgerinnen und Bürger nicht an die Appelle der Politik halten. Angesichts des massiven Eingriffs in die Freiheitsrechte hoffen viele, darum herumzukommen.

Eine erste Ausgangssperre gibt es in Bayern. In der oberpfälzischen Kleinstadt Mitterteich (7000 Einwohner) stiegen die Covid-19-Fälle so stark an, dass die Einwohner nun ihre Wohnungen und Häuser nur noch in wenigen Fällen verlassen dürfen (Arbeit, Arztbesuch, Einkaufen, Tanken).

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) droht bereits: "Wenn sich viele Menschen nicht freiwillig beschränken, dann bleibt am Ende nur die bayernweite Ausgangssperre als einziges Instrumentarium, um darauf zu reagieren. Das muss jedem klar sein." Auch die Länder Berlin und Brandenburg erwägen eine Ausgangssperre. Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller (SPD), sagt: "Aber ich hoffe sehr, dass wir das vermeiden können." (bau)

  • Spanier werden mit Drohnen am Ausgehen gehindert

Wenn man auf Spaniens Straßen plötzlich von oben angebrüllt wird, dann hat man es nicht mit einem zornigen Chef zu tun. Vielmehr werden dort für die seit Sonntag geltenden Ausgangssperren von der Polizei auch Drohnen eingesetzt, die mit Lautsprechern ausgestattet sind.

Spanien ist weltweit eines der am meisten betroffenen Länder. Trotz der Ausgangssperren gingen die Infektionsraten in den letzten Tagen weiter stark nach oben. Am stärksten betroffen ist die Region Madrid. Die Regierung hat den Notstand ausgerufen, Kinderbetreuungseinrichtungen, Schulen, Unis, Bars und Geschäfte sind geschlossen. Die Maßnahmen gelten zunächst für 15 Tage. Polizei und Armee sind für Kontrollen im Einsatz. In der Millionenstadt Madrid, wo fast die Hälfte der Fälle aufgetreten ist, werden nun Hotels in Krankenhäuser umgebaut. Auch Medizin Studierende im letzten Semester sind im Einsatz.

Unterdessen haben die Spanier auch noch einen anderen Grund als andere Europäer, auf ihren Balkonen zu lärmen. Während der Rede von König Felipe VI. am Mittwochabend protestierten sie gegen das "Corinnavirus", wie der Korruptionsskandal des Königshauses genannt wird, in den Exkönig Juan Carlos I. und seine damalige Geliebte Corinna Larsen verwickelt sein sollen. Schmiergelder in der Höhe von 65 Millionen Euro seien dabei aus Saudi-Arabien in die Schweiz geflossen. Die Protestierenden verlangen vom Königshaus, das Geld nun zur Verfügung zu stellen. (mhe)