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Bei der Suche nach schnell verfügbaren Mitteln gegen die Lungenerkrankung Covid-19 setzen Forscher vor allem auf "Drug Repurposing", also die Nutzung von bereits für andere Erkrankungen zugelassenen Medikamenten.

Foto: AP/Andrew Harnik

Weltweit suchen Wissenschafter auf Hochtouren nach Mitteln, um Infektionen durch das Coronavirus Sars-CoV-2 aufhalten zu können. Noch gibt es aber keine geeigneten Wirkstoffe. Derzeit laufen etwa 50 Projekte zur Entwicklung von Impfstoffen und unzählige Forschungen zu Medikamenten, mit denen sich die durch das Virus ausgelöste Lungenerkrankung Covid-19 vielleicht behandeln lassen könnte.

Einen vielversprechenden Impfansatz untersucht der japanische Pharmakonzern Takeda mit Beteiligung von Forschern in Wien: Sie wollen sogenannte Hyperimmunglobulin-Präparate mit Antikörpern aus Blutplasma von Patienten entwickeln, die eine Coronavirus-Infektion bereits überstanden haben. Die Idee einer solchen "Passivimmunisierung" gibt es schon seit Ende des 19. Jahrhunderts, als der deutsche Arzt Emil von Behring Patienten mit einem Diphtherie-Antiserum behandelte.

Bewährtes Prinzip

Das Prinzip dabei ist, dem Körper eine bereits überstandene Infektion mit einem Krankheitserreger vorzutäuschen. Steckt man sich mit einem pathogenen Keim an, setzt der Körper eine Immunantwort in Gang. Sie wird durch Antikörper vermittelt, anfänglich durch Immunglobulin M. Nach einiger Zeit setzt in den Plasmazellen die Produktion von spezifischen Immungloblulin-G-Antikörpern (IgG) ein. Kommt der Körper künftig wieder mit dem Erreger in Kontakt, können diese Antikörper schnell aktiv werden und im besten Fall eine Infektion abwehren. Mithilfe solcher Antikörper aus dem Blutplasma genesener Covid-19-Patienten könnte man theoretisch andere Menschen immunisieren, hoffen Forscher.

Das Unternehmen Takeda, das mit seinem Standort in Wien eines der weltweit größten Verarbeitungszentren für Spenderplasma betreibt, hat bereits in der Vergangenheit Antikörperpräparate aus Blutplasma entwickelt, unter anderem gegen Influenzaviren wie H5N1 ("Vogelgrippe") oder H1N1 ("Schweinegrippe"). Wie viele Antikörper man aus dem Plasma ehemaliger Covid-19-Patienten gewinnen kann und welche Mengen für die Immunisierung weiterer Patienten benötigt werden, ist noch unklar. Thomas Kreil, Virologe bei Takeda, schätzt aber, dass in neun bis 18 Monaten ein zugelassenes Präparat zur Verfügung stehen könnte.

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Drei Strategien

Bis es ein Impfserum gegen das Coronavirus gibt, wird es jedenfalls noch lange dauern. Viele Wissenschafter setzen daher auf Tests mit bereits zugelassenen Medikamenten, die, sollten sie sich als wirksam erweisen, rascher eingesetzt werden könnten, um Covid-19-Patienten zu behandeln. Auch dann würde es bis zur Zulassung Monate dauern, aber immerhin schneller gehen als bei neu entwickelten Präparaten.

Im Fokus stehen vor allem drei Gruppen von Medikamenten: erstens antivirale Medikamente, die etwa gegen HIV, Ebola, Influenza oder Sars entwickelt wurden und möglicherweise auch gegen Sars-CoV-2 wirksam sein könnten. Zweitens könnten sogenannte Immunmodulatoren nützlich sein, die überschießende und potenziell gefährliche Reaktionen des Immunsystems verhindern. Und drittens gelten Medikamente als vielversprechend, die gegen Lungenerkrankungen wie Lungenfibrose entwickelt wurden und die Aufnahme von Sauerstoff im Blut verbessern können.

Zelluläre Virenblockade

Einige aussichtsreiche antivirale Medikamente zielen auf den sogenannten ACE2-Rezeptor ab, an den das Coronavirus andockt, um in die Lungenzellen zu gelangen. Der Rezeptor darf allerdings nicht deaktiviert werden, weil er bei akutem Lungenversagen eine positive Rolle spielen kann. Das vom österreichischen Genetiker Josef Penninger gegründete Unternehmen Apeiron hat im Zuge der Sars-Pandemie 2002/03 ein biotechnologisch hergestelltes, lösliches ACE2-Protein entwickelt, das das Sars-Virus abfangen und Infektionen dämpfen konnte. Derzeit wird eine Studie zur Wirkung bei schwerem Lungenversagen durch Covid-19 vorbereitet.

Klinische Studien

Um sich an Zellen anzuheften und in sie einzudringen, nutzt das Virus aber auch andere Enzyme. Auf einige davon sind bereits getestete und freigegebene Medikamente gerichtet, etwa Camostat, das zur Behandlung chronischer Bauchspeicheldrüsenentzündungen eingesetzt wird. Erfolge erhofft man sich auch von Studien mit Remdesivir, einem gegen Ebola entwickelten Medikament, das sich als wirksam bei Sars- und Mers-Infektionen erwies. Auch der Wirkstoff Chloroquin, der gegen Malaria eingesetzt wird, hat sich Meldungen aus China zufolge als interessant erwiesen – wie so oft in diesen Tagen fehlt es aber an genaueren Informationen.

Doch auch bei guten Erfolgsaussichten müssen bereits zugelassene Medikamente zunächst in klinischen Studien auf genaue Wirksamkeit und Risiken für Covid-19-Patienten getestet werden. Bereits bekannte Wirkstoffe können zwar schneller in diese Phase kommen und bei erfolgreicher Testung auch rascher zugelassen werden. Aber noch befindet sich kein Wirkstoff in fortgeschrittenen Stadien klinischer Erprobung. Klar ist also: Von heute auf morgen wird es sicher kein Mittel gegen das Coronavirus geben. (David Rennert, 20.3.2020)