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Derzeit geht in der erfolgsverwöhnten Beraterbranche vieles nicht mehr. Das Geschäft ist ein anderes geworden.

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Bis vor drei Wochen konnte Alfred Harl, Obmann des Fachverbands der Berater mit 69.000 Mitgliedern, noch das tun, was er die Jahre davor getan hat: ein weiteres Plus der Branche mit zusammen etwa 35 Umsatzmilliarden von mindestens acht Prozent in Aussicht stellen. Der Covid-19-Maßnahmenplan hat alles geändert. Jetzt haben einige Berater so viel zu tun, dass sie kaum zum Schlafen kommen. Andere bangen um ihre Existenz.

Letztere sind vor allem jene, die mit kleinen Strukturen vom Schulungs- und Trainingsgeschäft abhängen, die in dem und rund um das Präsenzgeschäft tätig sind, etwa im Veranstaltungsbereich. Bei vielen Einpersonenunternehmen im Personalbereich ist es derzeit auch zu ruhig – das aktive Suchgeschäft hält überwiegend inne.

Hektisch ist es dagegen bei allen, die fundiert bei den zwei Hauptthemen helfen können: Sicherung des Geschäfts und Sicherung der Liquidität. Notfallplaner, Krisenberater, Risikoexperten sind natürlich ebenso gefragt wie IT-Fachleute, die jetzt beim Erweitern der Serverkapazitäten oder bei der Etablierung von technischen Lösungen für Distanzarbeit dran sind. Wer bei allen staatlichen Hilfsinstrumenten – Überbrückungskrediten, Stundungen, Steuerhilfen – zur Seite steht, hat derzeit ebenso viel zu tun wie die Arbeitsrechtler in den Anwaltskanzleien.

Verhandlungserfolge

Es gehe es jetzt sowohl im Beratergeschäft als auch intern in den jeweiligen Unternehmen darum, Perspektiven zu schaffen, sagt Alfred Harl, Obmann des Fachverbands der Berater. Das bedeutet: schnell wieder in die Strategieentwicklung zu kommen und Szenarien für "post Corona" zu schreiben.
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Aktuell gehe es auch oft darum, das Mahnwesen auf Vordermann zu bringen oder Außenstände einzutreiben, erklärt Branchenobmann Harl. Er hat natürlich alle Hände voll zu tun. "Rund um die Uhr", wie er sagt. Und er vergisst nicht, gleich einen Verhandlungserfolg zu kommunizieren: Die IT-Lehrlinge der Branche dürfen nun doch im Betrieb bleiben und müssen vorerst nicht in die Berufsschule. Maßnahmen wie etwa ein nicht rückzahlbarer Zuschuss bis zu 5000 Euro für Einpersonenunternehmen gehört ebenso auf diese Ergebnisliste.

Wie läuft es derzeit für die "Incite"-Akademie der Branche? Die Lehrgänge für Nachhaltigkeitsmanagement und Interimsmanagement sind auf Herbst verschoben. Harl wirbt jedoch für die MBA-Programme der Incite (für Unternehmensberater und IT): "Ich habe damals selber mit 50 Jahren noch einen MBA gemacht – ich war erfrischt, habe neue Denkweisen integrieren können, ich setze mich jetzt noch in einzelne Lehrgänge unserer MBAs."

Natürlich gehe es jetzt sowohl im Beratergeschäft als auch intern in den jeweiligen Unternehmen darum, Perspektiven zu schaffen, sagt Harl. Das bedeutet: schnell wieder in die Strategieentwicklung zu kommen und Szenarien für "post Corona" zu schreiben. "Unter vollinhaltlicher Einbindung der Mitarbeiter, nicht lässig."

Recht auf Selbständigkeit

Dass die Krise schnell vorbei ist, glaub der Obmann nicht. "Es ist nicht wie quasi ein Zwischenurlaub." Welchen nächsten großen Schritt in den Rahmenbedingungen er für die Branche als zentral erachtet? Alfred Harl bringt das ewige Thema der Scheinselbstständigkeit erneut aufs Tapet: Berater, sehr viele davon im Bereich IT, möchten lieber selbstständig sein als für Projektzeiten in Kundenunternehmen angestellt. Dieser Wunsch nach einem Werkvertrag ist anderen Systempartnern allerdings ein Dorn im Auge, was zu Dienstverhältnissen führt, die Berater mit Gewerbeschein nicht wollen. "Wir fordern das Recht auf Selbstständigkeit", schmettert Harl dem entgegen. Bis auf weiteres allerdings vermutlich ohne Effekt. denn es geht in diesem Punkt um die große Geldfrage: Wer kriegt die Versicherungsbeiträge? (Karin Bauer, 20.3.2020)