Die Seife ist der unabdingbare Partner beim Händewaschen.

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So nahe fühlte man sich ihr schon lange nicht mehr. 20 bis 30 Sekunden Händewaschen, mehrmals täglich, wird in Zeiten von Corona empfohlen. Die Seife ist zu einer Allzweckwaffe geworden. Sie erledigt, wozu Wasser nicht imstande ist: sie tötet Keime ab.

Aber nicht nur das. Die Seife wurde in den vergangenen Tagen für viele zu einem vertrauten Partner. Durch das ständige Einreiben und Säubern von Handrücken, Fingerzwischenräumen, Fingerspitzen und Daumen kommt sie uns derzeit näher als so manches Familienmitglied. Ganz ebenbei haben der Seifenspender und das Stück Seife das Bad zu einem Ort gemacht, das nicht nur Sauberkeit, sondern neuerdings auch Unversehrtheit verspricht.

Das ist ziemlich viel Verantwortung für ein Produkt, das seit den Neunziger Jahren vor allem in Form von Flüssigseife – einer Emulsion von synthetischen Tensiden in Wasser – neben dem Waschbecken steht. Die Stückerl-Seife wurde währenddessen zunehmend als Luxus-Artikelchen abgetan: Nice to have, aber nicht wirklich notwendig. Aufgemascherlte Seifenstücke wurden zum Verlegenheitsgeschenk, zum dekorativen Staubfänger: Bei wem stapeln sie sich nicht, die Naturseifen aus Rosenblüten, Aktivkohle und Lavendel, die aussehen als seien sie von Laura Ashley höchstpersönlich geschöpft worden?

Boom kleiner Naturkosmetik-Hersteller

Seit 2017 ist das Seifensieden in Österreich ein freies Gewerbe. Während alteingesessene Seifenhersteller wie die Stadlauer Seifensiederei zusperrten, schossen kleine Naturkosmetik-Hersteller wie Pilze aus dem Boden.

Sie ließen ein Handwerk wiederaufleben, das im Hochmittelalter entstanden und durch die industrielle Herstellung im 19. Jahrhundert verloren gegangen war: Die Seifensieder produzierten flüssige Schmierseifen und feste Kernseifen aus Rindertalg und Pottasche. Aufgrund des bestialischen Gestanks während des Herstellungsprozesses wurde das Gewerbe meist am Stadtrand ausgeübt. Das kann den Seifensieder-Unternehmern von heute kaum mehr passieren: Sie verwenden in der Regel pflanzliche Fette wie Kokosfett, Olivenöl und Palmöl.

Geschäfte wie jenes des Labels Wiener Seife sind in der österreichischen Hauptstadt längst in die Touristenzone vorgerückt. Ein Stück Seife wird unter normalen Umständen so beiläufig wie ein Coffee-to-go gekauft. Und in Zeiten von Corona im Onlineshop. Appell an alle, deren Schränke bis oben hin mit Klopapier gefüllt sind: Kauft Seife! (Anne Feldkamp, 21.3.2020)