Die Buchläden sind zu, hinter den Kulissen werden Pakete gepackt.

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Wenn Johannes Kößler derzeit mit dem Rad Bücher ausliefert, tut er das unter strikten Sicherheitsvorkehrungen. Wenn er das Sackerl nicht in den Postkasten wirft, sondern dem Kunden vor die Tür stellt, tritt er zurück, wenn er geläutet hat. Und obwohl er Handschuhe trägt, schaut er, dass er Sackerln nur seitlich und nicht an den Henkeln angreift. Bargeld und Karte sind tabu, gezahlt wird per Rechnung. So beschreibt der Buchhändler von Seeseiten in der Wiener Seestadt seine täglichen Buchlieferungen in Zeiten von Corona.

Genaue Zahlen zur Steigerungsrate der Onlinebestellungen hat Kößler keine parat, wie bei allen Buchhändlern mit Webshop im Land haben sie aber auch hier stark zugenommen. Zur Post bringe man Bücher jedenfalls "kistenweise", mehr als 100 Bestellungen arbeitete man zuletzt täglich ab. "Und es stehen oft mehr als zwei Bücher auf einer Rechnung."

Manchen mag die tägliche Lektüre ein Grundnahrungsmittel sein, das beeindruckt die staatlichen Pandemiemaßnahmen aber wenig. Wie alle nicht lebensnotwendigen Geschäfte sind die Buchhandlungen hierzulande seit Anfang der Woche geschlossen. Dass die allermeisten Buchhändler seit Jahren nebenbei Webshops betreiben, kommt ihnen nun zugute. Damals musste man sich damit gegen eine andere Plage wehren: Internethändler Amazon.

Konkurrent Amazon als Helfer

Bei Heyn in Klagenfurt schnüren derzeit fünf Angestellte Buchnotpakete. Normalerweise erwirtschaftet der Webshop 20 Prozent des Umsatzes, diese Woche haben sich die Onlinebestellungen fast verdreifacht. Trotzdem fehlen 40 Prozent auf den früheren Gesamtumsatz, und niemand kann beurteilen, ob das nur anfängliche Hamsterkäufe sind. "Keiner weiß, wie lange das so geht. Vielleicht kommt man aber doch mit zwei blauen Augen davon", sagt Geschäftsführer Helmut Zechner.

In die Hände spielt dem lokalen Bestellgeschäft zudem, dass Amazon in seinen Lagern und seiner Lieferkette aktuell Kapazitäten für "Haushaltswaren, Sanitätsartikel und andere Produkte mit hoher Nachfrage" schafft, wie es Mitte der Woche mitteilte. Amazon reagiert so auf die steigende Nachfrage angesichts geschlossener Geschäfte. Bücher hingegen lagert Amazon vorerst keine neuen ein und liefert vorrätige nur verzögert aus. Benedikt Föger vom Hauptverband des Österreichischen Buchhandels führt das auch darauf zurück, dass Amazon an Büchern wenig verdient. Ihr Preis sei gering, Versandkosten hoch.

Dass die Onlineabsätze lokaler Buchhändler steigen und online Auflistungen mit lokalen Webshops kursieren, kann Zeichen eines Bewusstseinswandels sein oder auch nur eine Notlösung. Föger jedenfalls warnt, die Lage sei "existenzbedrohend" für Handel und Verlage. Denn unverkaufte Bücher gehen aus den Läden an sie zurück. Einige Verlage haben daher bereits Erscheinungstermine verschoben. Manche fürchten auch, dass nach Schließungen kleinerer Läden Ketten Standorte übernehmen und damit ihre Marktmacht ausbauen könnten, was wiederum geforderte Preisnachlässe für den Handel hochtreiben könnte.

Videolösungen und Onlinebuchtipps

Auch den Großen Thalia und Morawa setzt die Lage derzeit zu. Ihr üblicher Onlinenateil ist oft nicht höher als der kleinerer Händler. Morawa will Kurzarbeit in Anspruch nehmen. Auch die Wiener Buchhändlerin Petra Hartlieb will für ihre Mitarbeiter Kurzarbeit anmelden. Ohne Unterstützungszahlungen sei ihr Geschäft im Notbetrieb noch einige Wochen zahlungsfähig, alles andere wäre aber nicht zu stemmen.

Hartlieb hatte sich auf Inventur und Putzen während der Schließung eingestellt, dazu kommt man aber nicht. Ein Mitarbeiter ist fürs Telefon abgestellt und ruft Kunden zurück, die den Webshop nicht bedienen können. "Die freuen sich, wenn jemand mit ihnen plaudert, das leisten wir uns." Persönliche Beziehung pflegen auch Heyn und Seeseiten mit verstärkten Onlineaktivitäten wie Videolesungen und Buchtipps.

Nachschubprobleme gibt es keine, da die Lager voll sind und die Buch- an der Zeitungsauslieferung hängt. Ob deutsche Verlage weiter über die Grenze zustellen, ist die Frage. "Es wäre entzückend, wäre so ein Griss um Bücher, dass Deutschland sagt, wir brauchen die selber", so Zechner. (Michael Wurmitzer, 20.3.2020)