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Der Thüringer Björn Höcke gilt als rechtsnational.

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Berlin – Der vom deutschen Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte "Flügel" soll sich nach dem Willen der Parteispitze der rechten Partei Alternative für Deutschland (AfD) auflösen. "Der Bundesvorstand erwartet als Ergebnis des "Flügel"-Treffens am Samstag eine Erklärung darüber, dass sich der informelle Zusammenschluss "Flügel" bis zum 30.04.2020 auflöst", beschloss das Gremium am Freitag in Berlin.

Der Beschluss fiel nach Angaben aus Parteikreisen mit elf Ja-Stimmen, einer Enthaltung und einer Nein-Stimme deutlich aus. Das deutsche Bundesamt für Verfassungsschutz (Inlandsgeheimdienst, Anm.) hatte in der vergangenen Woche erklärt, der "Flügel" sei eine "erwiesen extremistische Bestrebung", die sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung Deutschlands richte. Nach Schätzungen des Verfassungsschutzes hat der Zusammenschluss rund 7.000 Anhänger.

2013 gegründet

Die AfD wurde 2013 gegründet. Inzwischen ist sie in allen deutschen Landesparlamenten und im Bundestag vertreten. Im Bundestag stellt sie die drittgrößte Fraktion. Vor allem seit der Flüchtlingskrise von 2015 war die Partei immer wieder mit kontroversen Äußerungen aufgefallen.

Nach Angaben aus Parteikreisen schlug der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen zunächst vor, der "Flügel" solle sich bis zum Monatsende auflösen. Wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr, stieß die Idee, die Vereinigung solle sich auflösen, bei mehreren Teilnehmern generell auf Zustimmung.

Die Frage, wie und wann dies erfolgen sollte, sei allerdings sehr kontrovers diskutiert worden. Dabei wurde dem Vernehmen nach auch auf unterschiedliche Befindlichkeiten in den westlichen und einigen dem "Flügel" eher zugeneigten AfD-Landesverbänden im Osten Deutschlands hingewiesen. Hinter dem Vorschlag, der am Ende zur Abstimmung kam, hätten sich schließlich Meuthen, der Co-Vorsitzende Tino Chrupalla, Bundestagsfraktionschefin Alice Weidel sowie Beatrix von Storch und Carsten Hütter versammelt.

Höcke und Kalbitz

Neben dem thüringischen Landeschef Björn Höcke gilt Brandenburgs AfD-Landeschef Andreas Kalbitz als wichtigste Führungspersönlichkeit des "Flügels". Kalbitz ist Mitglied des Bundesvorstandes und nahm den Angaben zufolge an der Sitzung teil. Auch wegen der Ausbreitung des Coronavirus ließen sich einige Vorstandsmitglieder per Telefon zuschalten.

Etliche Kritiker des "Flügels" innerhalb der AfD befürchten, dass die gesamte Partei demnächst vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuft und damit zur Gänze beobachtet werden könnte. Sie argumentieren, da der "Flügel" keine formale Mitgliedschaft kenne, sei eine Abgrenzung zur Gesamtpartei schwierig.

Höcke hatte zudem zuletzt mit der Äußerung, bestimmte Leute sollten "allmählich auch mal ausgeschwitzt werden", den Unmut etlicher AfD-Funktionäre auf sich gezogen. Vor der Sitzung des Vorstandes hatten mehrere Spitzenfunktionäre der Partei aus den westlichen Landesverbänden in internen Schreiben an Meuthen und Chrupalla Maßnahmen gegen Höcke gefordert.

Kalbitz muss aus Sicht seiner Kritiker zudem belegen, dass er früher nicht Mitglied der inzwischen verbotenen Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) war. Er selbst bestreitet dies.

Unvereinbarkeitsliste

Die rechtsextreme Gruppierung steht auf der sogenannten Unvereinbarkeitsliste der AfD. Das bedeutet, dass jemand, der dort früher Mitglied war, nicht AfD-Mitglied sein darf. Bisher gibt es zur Frage der Mitgliedschaft von Kalbitz nur einen Bericht des "Spiegel", der sich auf ein internes Gutachten des Verfassungsschutzes beruft. Also eben jener Sicherheitsbehörde, deren politische Neutralität die AfD in Zweifel zieht.

Für große Erleichterung bei Meuthen und Weidel sorgte am Freitag eine Entscheidung des Bundesschiedsgerichts der AfD, dass der AfD-Abgeordnete des baden-württembergischen Landtags, Wolfgang Gedeon, die Partei verlassen muss. Gedeon sieht sich Antisemitismus-Vorwürfen ausgesetzt.

Dass Gedeon nun wegen parteischädigenden Verhaltens aus der AfD ausgeschlossen werde, sei ein "so überfälliges wie richtiges und wichtiges Zeichen", sagte Meuthen. Gedeon habe der Partei mit seinen "israelfeindlichen und antisemitischen Positionen über Jahre schweren Schaden zugefügt", betonte Meuthen. Weidel, die Vorsitzende des baden-württembergischen Landesverbandes ist, erklärte: "Ich bin froh, dass der Ausschluss nun endgültig erfolgt ist". (dpa, 20.3.2020)