Einsamkeit ist Pflicht. Und bleibt es bis zum Ostermontag.

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Österreich ist im Angesicht der Coronavirus-Krise in einer Ausnahmesituation. Doch mit jedem Tag wird die ein Stück mehr zum Alltag. Seit Freitag ist klar: Wir müssen uns an den neuen Alltag gewöhnen. Am Vormittag gab Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bekannt, dass die weitreichenden Einschnitte in das öffentliche Leben um weitere drei Wochen – bis zum Ostermontag, dem 13. April – verlängert werden. Auch Tirol verlängert seine Quarantäne-Verordnung bis zu diesem Datum. Die ursprünglichen Erlässe sahen den kommenden Montag als Frist vor. Alle Einschränkungen, die die Bundesregierung verhängt hat, gelten also weiterhin und dreimal so lange wie geplant. Uff.

"Wir tun das Richtige", sagte Kurz in einer Motivationsrede an das Volk. "Wir schaffen das, was wir uns vorgenommen haben." Weniger soziale Kontakte würden weniger Ansteckungen bedeuten, und damit wären alle, die die Einschränkungen mittragen, Lebensretter. Kurz appellierte an die Bürgerinnen und Bürger: "Halten Sie durch!"

Albtraum Italien

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) zeichnete erneut das Bild der Dystopie: Italienische Verhältnisse gelte es nun zu vermeiden, sagte er und erinnerte an aktuelle Bilder aus der italienischen Stadt Bergamo in der Lombardei: Dort karren Militärkonvois mittlerweile Tote hinaus aus der Stadt, weil die Kapazitäten der Friedhöfe in Bergamo erreicht wurden. "Deswegen machen wir das", sagte Kogler.

Parteikollege und Gesundheitsminister Rudolf Anschober komplettierte den Aufruf zur Konsequenz und blickte dahin, wo man hinwolle. Österreich befinde sich auf einem guten Weg, sagte er, würden die Maßnahmen und das gebotene Verhalten nun schleifen gelassen, wäre das fatal: "Ich warne eindringlich davor, jetzt zu glauben, dass ein Nachlassen bedeutet, dass wir es jetzt schon geschafft haben. Das wäre das Kontraproduktivste, was wir machen könnten."

Von 40 auf rund 20 Prozent

Und: Das Daheimbleiben zeigt Wirkung. Die Zuwächse bei den Infektionen wurden, so sagte Anschober, zuletzt durch die verhängten Einschnitte in das öffentliche Leben geringer. Sie sind jedoch nach wie vor "massiv". 40 Prozent Zuwachs wurden vergangene Woche täglich verzeichnet, man konnte sie nun auf 20 Prozent drücken, sagt Anschober. "Diese Entwicklung reicht uns bei weitem nicht. Wir müssen runterkommen unter zehn Prozent." Das erklärte Ziel: gar kein Zuwachs.

Auch das österreichische Gesundheitswesen habe Belastungsgrenzen, so der Minister. Am Freitag befanden sich laut Anschober 70 infizierte Personen in Spitälern, 13 benötigten Intensivbehandlung. Die restlichen Erkrankten – weit mehr als 2000 – würden zu Hause betreut, sie, die "milden Krankheitsverläufe", sind also infiziert, haben aber kaum Symptome. Sie können aber dennoch andere anstecken.

Kein Tag zu feiern in Sicht

Doch wie lange schläft das Land? Ist ab dem Ostermontag wieder alles wie früher? Das sei, so sagt Anschober, "kaum vorhersehbar". "Im Idealfall", so sagt Kurz, könnten die Systeme nach Ostern wieder hochgefahren werden. Nicht zur Debatte steht ein sofortiges Ende der gesamten Maßnahmen – von Ausgangsbeschränkungen über Schulsperren bis zu Geschäftsschließungen. Diesen einen Tag, an dem wir alle feiern, dass wir wieder hinauskönnen, werde es aber ohnehin nicht geben. Mit den Worten des Bundeskanzlers: "Wir werden nicht die Situation haben, dass wir von heute auf morgen sagen: ‚Jetzt ist es geschafft.‘" Der reale Plan ist pragmatischer: Eine Taskforce wird Szenarien entwickeln, wie einerseits Systeme hochgefahren werden können und andererseits kein Anstieg an Neuerkrankungen zu schaffen ist.

Apropos Party: Eine solche fand noch Mitte der Woche in einem Studentenwohnheim in Linz statt. 15 Studierende sollen sich auf einer Terrasse zu einem Umtrunk getroffen haben. Die Johannes-Kepler-Universität prüft Konsequenzen. Erst vergangenen Sonntag wurde ein russischer Austauschstudent nach seiner Heimreise nach Moskau positiv getestet – auch er war auf einer Linzer Studentenparty. Laut Anschober gehe es nun darum, genau jene Einsichtslosen, die restlichen "vier bis fünf Prozent", die den Status quo verharmlosen würden, vom Maßnahmenbündel zu überzeugen.

Zwei weitere Todesfälle

Und wenn Worte nicht helfen, wird die Polizei einschreiten: Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) mahnt am Freitag erneut die Einhaltung der Ausgangskriterien und des Ein-Meter-Abstands ein – und kündigt strengere Kontrollen an. Um mehr Polizisten zum Einsatz auf die Straße zu bekommen, werden zusätzlich 3200 Soldaten des Heeres für die Botschaftsbewachung und Sicherung der kritischen Infrastruktur herangezogen.

Während Politiker zur Presse sprechen und windmühlenartig zu Disziplin mahnen, werden immer mehr Todesfälle bekannt: Darunter eine 96-Jährige Patientin des Landesklinikum Melk und ein 81-Jähriger im Universitätsklinikum St. Pölten. Auch in Wien wurden weitere Sterbefälle bekannt. Die offizielle Zahl lag Stand Freitagnachmittag bei sechs, noch nicht alle Todesfälle, die zu diesem Zeitpunkt medial bekannt waren, sind in diese Zahlen inbegriffen. (David Krutzler, Gabriele Scherndl, 20.3.2020)